Ökumenisch froher Geist der Gemeinschaft auf dem Diezer Marktplatz
Mehr als 750 Gäste haben auf dem Diezer Marktplatz gemeinsam den ökumenischen Pfingstgottesdienst gefeiert, zu dem die drei evangelischen Kirchengemeinden und die katholische Herz-Jesu-Gemeinde im Rahmen des Reformationsjahres eingeladen hatten. 500 Jahre nach Luthers legendärem Thesenanschlag herrschte mitten in der Grafenstadt bei bestem Wetter ein lebendiger Geist, der nicht im geschichtlichen Rückblick verharrte, sondern eine frohe und begeisternde Aufbruchstimmung verströmte.
Die evangelischen Pfarrer Adi Tremper (St. Peter), Ingo Lüderitz (Stiftskirche), Pfarrerin Kerstin Lüderitz (Jakobus) und Pastoralreferentin Birgit Losacker (Herz-Jesu) sowie Vertreter der Kirchenvorstände und des Pfarrgemeinderats unterzeichneten während des Gottesdienstes eine ökumenische Vereinbarung, die dem seit Jahren praktizierten Miteinander nun auch schriftlich Ausdruck verleiht und einen konkreten Rahmen verleiht. „Martin Luther wollte die Kirche erneuern, nicht spalten. Er wollte die Einheit der Kirche, damit die Welt glaubt. Wir wollen das auch.“ Mit diesen Worten beendete Kerstin Lüderitz ihre Predigt, in der sie auf Luthers Willen zu Erneuerung und Verbesserung von Kirche hinwies.
Reformbedarf gebe es heute wie damals. Vier Beispiele dafür hämmerten die Theologen an eine auf dem Marktplatz aufgebaute Kirchentür. Mehr soziales Engagement, dass Kirche zum Sprachrohr für Sprach- und Machtlose macht, forderte Adi Tremper, die Gemeinschaft im Abendmahl Birgit Losacker. Dass Kirche zu den Menschen geht anstatt in schlecht besuchten Gottesdiensten auf sie zu warten, wünschte sich Kerstin Lüderitz und Ingo Lüderitz, dass die Schätze der Kirche gemeindeübergreifend als Ergänzung statt als Konkurrenz wahrgenommen und genutzt werden, statt überall das Gleiche anbieten zu wollen.
Am Ende nagelten auch andere Menschen ihre Reform-Wünsche an die Kirchentür. Da war unter anderem zu lesen, dass sich die kirchliche „Obrigkeit mehr vom Fußvolk anstecken lässt und öfter gemeinsame Gottesdienste stattfinden“, dass Kirche „Mut zu neuen Formen“ hat und in der katholischen Kirche Frauen für alle Weiheämter zugelassen werden. Die musikalische Begleitung der Feier übernahmen die Posaunenchöre der St. Peter- und der Jakobusgemeinde Diez-Freiendiez unter Leitung von Horst Christmann.
Nach dem Gottesdienst sorgte das Organisationsteam der St.-Peter-Gemeinde für eine leckere Bewirtung der bis zum Mittag fast 1000 Besucherinnen und Besucher. Spundekäs, Eierkäs, Schmalzbrot und natürlich gebratene Lutherwurst gehörten zum vielseitigen Büfett, das die fleißigen Helferinnen und Helfer an den Tischen kredenzten – und das alles kostenlos. Zum Spenden standen auf dem gesamten Marktplatz hübsche Miniaturkirchen, in die Jede und Jeder einwerfen konnte, was ihm das Essen wert war.
„So etwas sollte es öfter geben, haben jetzt schon ganz viele Leute zu mir gesagt, und dem kann ich mich nur anschließen“, sagte Stadtbürgermeister Frank Dobra und bewunderte nicht nur das logistische Zusammenspiel. „Hier ziehen wirklich alle an einem Strang.“ Der Stadtchef war nicht der einzige Gast, dem das ökumenische Pfingstfest auf dem Marktplatz unter den Augen einer mannshohen Luther-Figur bestens gefiel. „Ich komme mir vor wie bei der biblischen Speisung der 5000“, sagte die Dekanin des evangelischen Dekanats Nassauer Land, Renate Weigel, „das verdient wirklich großen Respekt“.
Schon um 9.30 Uhr hatte sie sich mit einer gut gelaunten Pilgerschar der Kirchengemeinde Flacht auf den Weg gemacht, um am Gottesdienst teilzunehmen. „Wenn wir die Ökumene durch unsere Anwesenheit unterstützen können, dann tun wir das sehr gern“, begründete Barbara Köhler aus Niederneisen die Wanderung nach Diez. Normalerweise feiern die Flachter ihren zweiten Pfingstfeiertag nämlich auf der Burgruine Aardeck. „Allein solch eine Wanderung stärkt schon den Gemeinschaftsgeist“, pflichtete ihr Erika Müller-Kuhmann aus Flacht bei. „Hier wird nicht nur geredet, hier wird gemacht.“ Und der Ort für Gottesdienst und gemeinsames Essen biete einen tollen Anblick. Und Landrat Frank Puchtler meinte, dass an diesem gemeinschaftlichen Auftreten und Feiern sicher auch Luther seine Freude gehabt hätte. „Wirklich beeindruckend.“
Bernd-Christoph Matern
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