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    Video: Weltweit als Arzt im Einsatz - mit vollem Herzen

    Esther StoschGerhard Trabert in seinem mobilen Sprechzimmer in Mainz.Gerhard Trabert in seinem mobilen Sprechzimmer in Mainz.

    Als Kind hat Gerhard Trabert erlebt, wie befreundete Heimkinder immer wieder benachteiligt wurden. Damals hat er sich geschworen, sich als Erwachsener für mehr Gerechtigkeit einzusetzen. Heute packt der Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie persönlich mit an und hilft wohnungslosen Menschen in Deutschland, Waisenkindern in Syrien und Flüchtlingen auf dem Mittelmeer.

    Esther StoschGerhard Trabert ist Arzt, Sozialarbeiter und bezeichnet sich als MenschenrechtsaktivistGerhard Trabert ist Arzt, Sozialarbeiter und bezeichnet sich als Menschenrechtsaktivist

    Dieser Mann lebt ein Leben, das so prall gefüllt mit sozialem Engagement ist, dass seine Aktivitäten auch für drei Leben reichen würden. Gerhard Trabert ist Arzt, Autor, Sozialarbeiter und Vater von drei erwachsenen Söhnen und einer Tochter – und er ist evangelisches Kirchenmitglied. Um Menschen in extremer Armut zu helfen, war der heute 63-Jährige unter anderem in Indien, Kenia und mehrfach in Syrien. Er sagt von sich, dass er Menschenrechtsaktivist sei. Dabei opfere er sich keinesfalls für andere auf, denn er bekomme immer viel zurück. Dass er für seine klaren Statements auch bedroht wird, nimmt er in Kauf. Denn aus seiner Sicht sei es wichtig, in diesen Zeiten Haltung zu zeigen.

    Seine Kollegen und er fahren bis heute mit dem Arztmobil durch Mainz, um dort obdachlose Menschen medizinisch zu versorgen. Redakteurin Charlotte Mattes hat Gerhard Trabert in Mainz im Arztmobil getroffen und über sein Engagement, Ziele und Hürden gesprochen.

    Herr Trabert, Sie sind im Waisenhaus aufgewachsen. Ihr Vater war dort Erzieher. Was hat diese Erfahrung mit Ihnen gemacht?

    Gerhard Trabert: Ich bin dort als Privilegierter aufgewachsen. Ich hatte mehr Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke. Wir konnten in den Urlaub fahren. Aber ich habe immer gesehen, dass meine Spielkameraden, die Heimkinder, nicht so viele Geschenke und weniger Zuwendung bekamen. Und sie wurden in der Schule sehr schnell für Dinge verantwortlich gemacht. Zum Beispiel, wenn etwas nicht funktioniert hat oder jemand laut war, war es schnell das Heimkind. Ich war dem als Kind ausgesetzt. Als Beobachter, nicht als Betroffener. Betroffener insofern, dass ich mich sehr stark mit meinen Spielkameraden identifiziert habe. Aber ich wusste nicht, was ich gegen diese Form der Ungerechtigkeit tun kann. Und ich glaube, das hat dazu geführt, dass ich mir als Erwachsener geschworen habe: Wenn ich Ungerechtigkeit sehe, dann muss ich etwas dagegen tun.

    Sie fahren unter der Woche mit Ihrem Arztmobil zu kranken Wohnungslosen oder fliegen an Orte, wo Hilfe dringend notwendig ist.
    Gerade erst im September waren Sie wieder in Syrien, zum sechsten Mal.
    Was haben Sie dort erlebt?

    Gerhard Trabert: Was ich dazu sagen muss: Es ist eine Region, die von den kurdischen Milizen vom IS* befreit wurde. Und mir ist es immer wichtig zu sagen: Dort wurde eine basisdemokratische Gesellschaft aufgebaut, und Frauen sprechen dort auf allen Ebenen mit. Das finde ich dort wesentlich besser umgesetzt als in unserer Demokratie.
    Ich war hauptsächlich in Kobanê. Da unterstützen wir finanziell ein Waisenhaus. Dort leben Kinder, die ihre Eltern durch den IS* verloren haben. Und es gibt dort eine Ausbildungsstätte, da können Frauen zum Beispiel eine Ausbildung als Näherin oder Friseurin machen. Ganz besonders ist das Projekt bei dem wir Diabetiker betreuen. Wir haben dort als Verein eine ambulante Versorgungsstelle aufgebaut, es wurden mittlerweile über 400 Patienten behandelt. Die Begegnung mit den Angestellten und Patienten war sehr schön. Man kann von hier aus etwas tun, was die  Lebenssituation der Menschen dort verbessert. 

    Wie waren die Begegnungen und die Stimmung vor Ort?

    Gerhard Trabert: Was mich betroffen gemacht hat, war die allgegenwärtige Angst der Menschen vor einer Militäraktion Erdogans. Ein Arzt hat mir gesagt: „Wir sind immer noch im Krieg, ich konnte schon seit 12 Jahren keinen Urlaub machen und seit 8 Jahren kein Buch mehr lesen.“ Ein anderer Arzt, ein Chirurg hat mir gesagt, dass er so viele Menschen operieren musste, dass er einfach nicht mehr könne. Von ihm trage ich etwas bei mir, dass er mir mal geschenkt hat: Eine islamische Gebetskette. Die trage ich immer bei mir genauso wie ein Holzkreuz, das habe ich seit 25 Jahren. Das haben mir Ordensschwestern in Indien geschenkt, bei meinem ersten Auslandseinsatz in einem Leprakrankenhaus.

    Sie waren diesen Sommer nicht nur in Syrien, sondern auch auf dem Mittelmeer unterwegs. Mit dem Mainzer Verein RESQSHIP. Was haben Sie erlebt?

    Gerhard Trabert: Wir haben gehört, dass ein Boot in Seenot geraten ist, haben Kurs genommen. Aber wir waren zu spät. Über die Leitstelle in Rom haben wir erfahren: Über 100 Menschen sind ertrunken. Das ist sehr traurig, so nah zu sein, dennoch nicht helfen zu können. Es sterben unzählig viele Menschen. Wenn man das so vor Ort erlebt, lässt es einen nicht los. Ich habe immer wieder das Gefühl, ich muss da hin. Und dieses Sterben muss nicht sein. Viele belächeln mich dafür, aber ich bin der Überzeugung. Wir könnten noch eine Million Geflüchtete aufnehmen. Wir haben das Knowhow, das Geld, die Ressourcen. Wir wollen es nicht.

    Werden Sie für solche klaren Statements angefeindet?

    Gerhard Trabert: Klar, werde ich da angefeindet. In meinem Facebook-Kanal kommen Drohungen und Beschimpfungen. Aber was soll´s. Das darf einen nicht verunsichern oder dazu führen, dass man den Mund nicht mehr aufmacht. Ich bin so wie ich bin. Haltung ist gefragt und dann muss man das Risiko auch eingehen. Und die Frage gerade hier in Deutschland ist doch immer wieder: Wie hätten wir im Nationalsozialismus reagiert? Hätten wir uns entgegenstellt oder wären wir mitgelaufen? Diese Frage kann man nicht beantworten. Aber wir können die Frage beantworten, wie wir uns jetzt in der Gesellschaft verhalten. Es ist so wichtig: Es darf nie mehr dieser Rechtsextremismus entstehen und wir müssen klare Haltung zeigen, sonst laufen wir der Gefahr, dass Geschichte sich wiederholt.

    Manchmal wirkt es, als seien Sie in Gedanken bei den Menschen, die Ihre Hilfe brauchen. Wie schaffen Sie es nach Ihren Einsätzen wieder im Alltag, in Rheinhessen anzukommen?

    Gerhard Trabert: Ich versuche mit Freunden darüber zu reden. Auch wenn ich mit Medien darüber rede, ist das eine Form der Verarbeitung. Ich schreibe viel, so kann ich es etwas loslassen, muss es nicht ständig in meinen Gedanken mittragen. Und beim Joggen und Radfahren durch die Weinberge kann ich meine Gedanken sortieren. Aber so ganz lässt einen das Gesehene nicht los. 

    Ihr Handeln ist ja an Nächstenliebe kaum zu übertreffen. Sie sind evangelisch getauft und Mitglied der Kirche. Handeln Sie bewusst christlich?

    Gerhard Trabert: Ich empfinde mich schon als jemand der versucht, Christ zu sein. Ich wehre mich dagegen, missionarisch zu sein, habe große Probleme mit der Institution Kirche. Dennoch denke ich, dass ich persönlich durch die Begegnung mit einer zentral christlichen Botschaft geprägt wurde. Aber das bedeutet nicht, dass ich mich damit über andere Religionen erheben möchte. Ich finde in allen Religionen gibt es den Part der Nächstenliebe.

    *Anm. d. Rd.: IS = der sogenannte Islamische Staat

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