Reformationsjubiläum 2017

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    Interreligiöses Leben

    Amin Kondakji will evangelischer Pfarrer werden – er wurde muslimisch erzogen

    EKHN/Rita Deschner

    Die Mutter ist katholisch, der Vater Muslim und er selbst Feuer und Flamme für sein Berufsziel: evangelischer Pfarrer.

    Von Nicole Weisheit-Zenz (Evangelische Sonntags-Zeitung)

    In Mainz hat man ihn bestimmt schon gesehen – auf dem Uni-Campus vielleicht, in der Auferstehungsgemeinde, als Redner bei einer Veranstaltung oder auf Wahlplakaten. Doch bescheiden stellt er sich vor bei einem Gespräch in der Studierendengemeinde, die tagsüber einen ruhigen Ort bietet im Trubel an der Universität: „Amin Kondakji, ich studiere evangelische Theologie und bin in der Politik aktiv“, sagt er mit warmer Stimme.

    „Kondakji“, das bleibt nicht gleich im Ohr. Übersetzt heißt es „Schmied“. Der 29-Jährige nimmt sein Leben gern selbst in die Hand, ist Feuer und Flamme für seine Aufgaben. „Amin“, der Vorname klingt wie „Amen“. Im Koran steht das arabische Wort meist als Bekräftigung am Ende eines Verses. Man kann es mit „ehrlich, vertrauenswürdig“ übersetzen. Offen und ehrlich erzählt der angehende Pfarrer von seinem Lebensweg: muslimisch aufgewachsen, mit erstem Abschluss Neurowissenschaftler, politisch in vielen Bereichen engagiert, und das ist nur die Kurzfassung.

    Erst Koranschule, dann Ethikunterricht

    Als Sohn einer Mainzerin und eines Syrers kam Kondakji 1985 in Rüsselsheim zur Welt. Er wurde muslimisch erzogen, besuchte eine Koranschule. Dann trennten sich die Eltern und seine katholische Mutter legte Wert darauf, dass er in Glaubensfragen selbst entscheiden könne. Lange Zeit stand das Thema dann weniger im Vordergrund, auch in der Schule besuchte er den Ethikunterricht. „Schon als Kind war es für mich gar nicht so wichtig, welche Religion meine Freunde haben“, erinnert sich der junge Mann. „Ob christlich, muslimisch oder anders, wir haben einfach zusammen gespielt und Spaß gehabt.“ Auch heute möchte er in erster Linie den einzelnen Menschen sehen, unabhängig von Kultur und Religion.

    Er hat gute Erfahrungen mit der Bundeswehr gemacht

    Nach dem Abitur verpflichtete er sich bei der Bundeswehr für zwei Jahre, die er als schöne Zeit in Erinnerung hat. Trotz notwendiger Strenge schätzte er den familiären Umgang miteinander, sah sich auch selbst ein wenig als Beschützer. „Ganz besonders interessiert hat mich, wie man Einsätze gründlich plant und vorbereitet“, beschreibt er. „Und wie man Menschen führen und motivieren kann.“ Vieles davon kann er praktisch einbringen, sei es mit Blick auf Politik oder Pfarramt. Doch Militärpfarrer zu werden, das wäre nichts für ihn, räumt er gleich ein. Auslandseinsätze könne er sich nicht vorstellen, denn wegen seiner Familie möchte er in Mainz oder der Mainzer Umgebung bleiben.

    Zwei Menschen zeigen ihm den christlichen Glauben

    Fürs Christentum begeistert hat ihn seine Frau Anna, Lehrerin für evangelische Religion und Erdkunde, und Pfarrer Kurt Bendler aus Armsheim, in dem er einen Freund und Mentor gefunden hat. Kondakji muss lachen bei der Frage, weshalb sich in seinem Leben einiges grundlegend geändert hat: „Ich würde nicht sagen, dass Gott selbst zu mir gesprochen hat. Es waren eher diese beiden ganz besonderen Menschen, die mich stark beeinflusst haben.“ Bevor er zur Theologie kam, absolvierte er ein Studium der Bioinformatik und Neurowissenschaften, beschäftigte sich unter anderem mit Alzheimer. „Während der vielen Laborarbeiten kam ich ins Grübeln und habe mir überlegt, was mir wirklich wichtig ist“, sagt er. Schockiert sei niemand gewesen, als er verkündete, er wolle noch Theologie mit dem Ziel Pfarramt studieren. Auch nicht sein Bruder, der beim Islam blieb und den er sehr schätzt.

    Beim Dialog der Religionen kennt er sich gut aus

    Es stört im Studium niemanden, dass er nicht mitreden kann, wenn nach den eigenen Erfahrungen mit Kirche als Kind und Jugendlicher gefragt wird. Dafür kennt sich Kondakji bestens aus, wenn es um den Dialog zwischen den Religionen geht. Auch in Sachen Sprachen hat er einiges zu bieten: Englisch, Französisch und Arabisch hat er in der Schule gelernt. Hebräisch, Latein und Griechisch muss jeder Theologe können. In der Freizeit hat Kondakji sich noch Basiskenntnisse in Chinesisch und Russisch erworben.

    Er will Menschen begeistern

    Ein Pfarrer präge die Gemeinde, vieles hänge von seiner Persönlichkeit ab, ist er sich sicher. Durch seine Ausstrahlung möchte er Menschen begeistern, vom Kind bis zum Senioren. Möchte sie in der Gemeinde gezielt ansprechen und mit ihren Talenten einbeziehen. Sie mitentscheiden lassen und offen sein für ihre kreativen Ideen, dabei nur den Rahmen vorgeben und anderen eigene Aufgaben übertragen. „Gerade jungen Leuten sollte man mehr zutrauen und ihnen auch Freiheit darin lassen, wie sie das kirchliche Leben mitgestalten“, betont er.

    Voraussichtlich im Frühjahr 2016 möchte er mit seinem Vikariat anfangen. Am liebsten würde er gleich loslegen. Mit Blick in die Bibel und auf das Leben der Menschen, mit dem Wort Gottes in anschaulichen Bildern, inhaltlich fundiert und mit persönlichem Bezug würde er gerne seine Andachten gestalten, erzählt er.

    Bei Freunden und Familie tankt er viel Energie

    Viel gelernt hat er auch in der Politik, im Mainzer Stadtrat und als Vorsitzender der SPD in Hartenberg-Münchfeld. Eigene Ideen einbringen, Dinge zum Positiven verändern, Wege ebnen, das ist ihm wichtig. Für mehr Freizeitangebote für Kinder und bessere Bildungschancen für Menschen mit Migrationshintergrund setzt er sich ebenso ein wie für eine vorteilhafte Infrastruktur für Senioren und eine offene Kommunikation untereinander. „Dabei geht es mir nicht darum, in der Öffentlichkeit zu stehen oder etwas zu verdienen“, verdeutlicht Kondakji. 

    Zwischen dem Kaffee am Morgen und dem letzten Blick auf sein Smartphone vor dem Schlafengehen liegt oft ein ausgefüllter Tag: Vorlesungen und Seminare an der Uni, dazwischen Zeit in der Bibliothek und das Lernen zu Hause, die Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft. Nachmittags und abends oft Arbeitstreffen, Ausschusssitzungen und andere Veranstaltungen. Familie und Freunden ist er daher dankbar für ihre Unterstützung, durch die er wieder neue Energie tanken kann und sich „einfach rundum wohl“ fühlt.

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