Reformationsjubiläum 2017

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    Stadtleben von Menschen in Armut

    Von Platte, Stammstehern und Stippen

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    Wo und wie leben Menschen in der Stadt, die ohne Geld und ohne Wohnung unterwegs sind? Bei einem vom Evangelischen Dekanat und dem Diakonischen Werk Bergstraße organisierten Stadtspaziergang haben die Teilnehmenden Bensheim aus dem Blickwinkel von Wohnungslosen erlebt.

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    „Passen Sie auf, dass Sie da nicht hereintreten. Nicht jede Pfütze besteht aus Wasser“, mahnt Björn Metzgen-Meuer in der Tiefgarage am Hauptbahnhof. Der Leiter des Zentrums der Wohnungslosenhilfe zeigt eine der dunklen Ecken des Parkhauses. „An dieser Stelle wird insbesondere im Winter manchmal Platte gemacht“, berichtet der Diplom-Sozialarbeiter, der für das Diakonische Werk Bergstraße früher als Streetworker tätig war. Platte ist der umgangssprachliche Ausdruck für einen provisorischen Übernachtungsplatz in Parks, auf Bänken, unter Brücken, in Hauseingängen oder eben Parkhäusern. Die dunkle Ecke im Parkhaus am Bensheimer Bahnhof nutzen Wohnungslose, weil sie ihnen Sichtschutz bietet und die Temperaturen auch im Winter nicht unter den Gefrierpunkt fallen.  Aber auch Arbeiter aus Ost- und Südosteuropa, die sich keine Pension leisten können, übernachten nach Angaben von Metzgen-Meuer  immer wieder im Parkhaus. Anders als die Wohnungslosen schlafen sie nicht auf dem Boden, sondern in ihrem Auto.

    Wohnungslose in der Tiefgarage

    Am anderen Ende des Parkhauses schläft ein Obdachloser unter einer Decke, zwei andere sitzen mit dem Rücken zur Wand. Bierflaschen stehen daneben. Ihre ganze Habe scheint sich in den geschnürten Säcken auf ihren Fahrräder zu befinden. Sie grüßen den Leiter des Zentrums der Wohnungslosenhilfe wie alte Bekannte, einer fragt nach einer Zigarette. „Du sollst mich doch nicht anschnorren“, sagt Björn Metzgen-Meuer und fragt den Mann, wie es ihm gehe. Der schüttelt den Kopf und meint, nicht so gut. Und man muss kein Arzt sein, um zu erkennen, dass er nicht gesund ist.

    Platte in verfallenen Häusern oder im Gebüsch am Badesee

    Im vergangenen Jahr hatte das vom Diakonischen Werk betriebene Zentrum der Wohnungslosenhilfe insgesamt 296 Menschen betreut. In seinem Wohnheim wurden 5.400 Übernachtungen gezählt. In diesem Jahr dürfte die Bilanz ähnlich aussehen. Doch nicht alle Wohnungslosen nehmen dieses Angebot in Anspruch. So stehen zwischen den Bäumen und Büschen, mit denen derer Bensheimer Badesee dicht bewachsen ist, gerade im Sommer Zelte – bewohnt von Menschen ohne feste Wohnung. Beliebt ist auch ein leer stehendes und zerfallendes Haus am alten Güterbahnhof. Das Haus ist zugewachsen und bietet damit zwei Voraussetzungen, die Menschen ohne Wohnung an Gebäuden am meisten schätzen: Sichtschutz und Wetterschutz

    Ein Ort der Kommunikation

    An anderen Plätzen der Stadt  treffen sich die Stammsteher. Dieser Ausdruck bezeichnet Menschen, die zwar eine schlichte, meist kleine und abgelegene Wohnung haben, aber sich dort nur zum Schlafen aufhalten wollen oder können und immer wieder einem Platz in der Stadt aufsuchen. Der Beauner Platz am Rande der Altstadt war so ein Ort für Stammsteher. „Hier trafen sie sich täglich, redeten miteinander und dabei wurde mitunter viel Alkohol getrunken“, berichtet Metzgen-Meuer. „Als der nahegelegene Supermarkt schloss, versiegte die Quelle für den Flaschennachschub“. Dass die Stadtverwaltung die Bänke am Beauner Platz abbaute, tat ein Übriges. Die Stammsteher suchten sich einen anderen Ort. 

    Pfand im Mülleimer

    Stammsteherplätze wechseln immer wieder. Nur die Gegend rund um den Bahnhof ist gesetzt. Denn das ist nach den Worten von Björn-Metzgen-Meuer auch ein „finanzieller Ort“. Es geht ums Pfand. „Reisende haben es bekanntlich eilig. Pfandflaschen geben sie nicht zurück, sondern sie wandern in den Mülleimer. Am Bahnhof werden Flaschensammler am häufigsten fündig. Für Nachschub ist stets gesorgt.“ Das sieht am Marktplatz oder der Fußgängerzone anders aus. Dort konnten beim Stadtspaziergang keine Pfandflaschen in den Mülleimern entdeckt werden. „Kein Wunder. Wir sind zu spät. Jetzt um 12 Uhr mittags ist alles abgegrast. Gerade Samstag- oder Sonntagsmorgen sind die Pfandflaschensammler früh unterwegs.“

    Leben von der Hand in den Mund

    Wo finden sich sonst Wohnungslose im Stadtbild? Immer dort, wo es für sie etwas existentiell Wichtiges gibt. Etwa Lebensmittel bei der Tafel, die früher in der Altstadt war, wegen des großen Andrangs inzwischen ein größeres Gebäude in der Bensheimer Weststadt bezogen hat. „Beliebt sind auch die katholische Gemeinde Sankt Laurentius und die evangelische Stephanusgemeinde. Denn sie geben Essensgutscheine aus“, erläutert der frühere Streetworker. Ein kostenloses Mittagessen gibt es täglich auch bei den Franziskanern in der Klostergasse. 

    Auch Straßencafés sind im Blick von Menschen, die in Armut leben. Nicht dass sie sich dort ab und an eine Tasse Kaffee gönnen. Es geht um die Aschenbecher.  Björn-Metzgen-Meuer greift hinein, holt Kippen hervor und zerbröselt den Resttabak. „Das heißt Stippen. Irgendwann hat man so viel Tabakkrümel zusammen, dass man sich eine neue Zigarette drehen kann.“

    Meile der sozialen Gerechtigkeit

    Der Stadtspaziergang, an dem sich auch der Dekan des Evangelischen Dekanats Arno Kreh und die Fachreferentin für gesellschaftliche Verantwortung Sabine Allmenröder beteiligten, startete von der Meile der sozialen Gerechtigkeit in der Bensheimer Fußgängerzone. Sie wurde vom DGB-Kreisverband Bergstraße organisiert. Das Dekanat und das Diakonische Werk Bergstraße beteiligten sich mit einem gemeinsamen Stand, an dem über die Themen bezahlbarer Wohnraum, soziale Teilhabe,  Flüchtlinge und Sonntagsschutz informiert wurde. Liegestühle mit der Aufschrift „Sonntag – ein Geschenk des Himmels“ luden zum Verweilen ein.  Auch Benoki, der vom Dekanat eingerichtete Betreuungsnotdienst für Kinder, stellte seine  Arbeit vor.

    Hilfe für Wohnungslose

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