Buch-Tipp
Spiritualität aus Schottland
Becker-von Wolff31.07.2022 hjb Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Von der über tausend Jahre alten Abtei Iona auf der gleichnamigen Hebrieninsel in Schottland geht bis heute eine besondere Faszination aus, sagt Pfarrerin Karin Schmid. Die Referentin für Bildung im evangelischen Dekanat an der Dill hat das Kloster schon oft besucht. Es liegt landschaftlich sehr reizvoll an der Küste einer kleinen Insel und gilt als spirituelles Zentrum Schottlands.
Von hier aus hat sich das Christentum in die Highlands verbreitet. Das erste kleine Kloster in Form einer Siedlung mit Hütten und einer Kirche soll hier 563 Jahre nach Christus entstanden sein. Die Geschichte von Iona ist schnell erzählt: Ein Mann namens Columba setzte im Jahr 563 nach Christus mit zwölf Jüngern seinen Fuß auf die Insel und suchte hier einen Ort, an dem er studieren und beten konnte. Mit der Zeit konvertierten immer mehr Pikten und Kelten zum Christentum.
Von Iona aus kam es zu weiteren Klostergründungen und Kirchenbauten auf dem Festland und den Äußeren Hebriden. Das Kloster Iona wuchs in der Bedeutung des Landes: Eine Bibliothek zog als Ort des Wissens weitere Menschen an, die Künste – Dichtung und Bildhauerei – blühten auf. Auch als Columba im Juni 597 starb, führten seine Nachfolger sein Werk dort fort: Iona wurde ein Zentrum für Pilgerfahrten.
Viele schottische Könige fanden hier nach und nach auf der Insel ihre letzte Ruhestätte. Zur Geschichte des Klosters Iona gehört aber auch, dass die Wikinger ab 794 nach Christus das Kloster immer wieder überfielen. Es wurde sehr unsicher für die Mönche, sie verließen schließlich die Insel.
Erst 150 Jahre später als die Wikinger sich dem Christentum zuwandten, wurde Iona wieder zu einem bewohnten und heiligen Ort. Im 13. Jahrhundert kam ein Nonnenkloster dazu. Die Reformation im 16. Jahrhundert stoppte das spirituelle Leben. Teile der historischen Klosteranlage verfielen zu Ruinen.
Verständlich von Gott reden
1938 wurde das Kloster in seiner heutigen Form wieder aufgebaut. Der presbyterianische Pfarrer George McLeod gründete eine Gemeinschaft, in der Spiritualität und Welt keine Gegensätze sein sollten. Die Liturgie brauche Worte und Rituale, die der Mensch heute verstehe – jenseits einer kirchlichen Hochsprache.
Viele Lieder und Gebete aus Iona sind über den Deutschen Evangelischen Kirchentag und die Publikationen von John Bell auch in unseren Breiten etwas bekannter geworden. Die weltweite Netzwerkgemeinschaft der „Iona Community“ hält am prägenden Ursprungsort – der über tausend Jahre alten Abtei Iona – und den dort gelebten Traditionen wie den Tageszeitengebeten fest.
Ein kleiner Buchband „Die ganze Welt gehört Gott“ in der Reihe „gemeinsam gottesdienst gestalten“ (Band 33) möchte den Blick über den deutschen Tellerrand hinaus auf die liturgischen Entwürfe leiten, die im englischsprachigen Raum schon lange für Innovation und Qualität, sprachliche Frische und theologischen Anspruch stehen.
Pfarrerin Karin Schmid, Referentin für Bildung im Evangelischen Dekanat an der Dill, hat gemeinsam mit Frank Schulte, einem weiteren Mitglied der „Iona Community“ aus Deutschland, eine Auswahl an Liturgien übersetzt und um eigene Liturgien im Stil der Iona Community ergänzt. Die Sammlung liegt nun als Buchveröffentlichung vor.
Auf 160 Seiten bietet das Buch unterschiedliche Liturgien, Wechselgebete und Meditationen für Tageszeitengebete und Gottesdienste zu verschiedenen Themen an: Willkommen und Abschied, Abendmahl, Kirchenjahr und zu Schöpfung, dem Übergang in den Ruhestand, zur Einführung von Mitarbeitenden und zur Segnung mit Bitte um Heilung.
Das Buch ist ideal für Prädikanten, Lektoren und für alle, die in einer Gemeinde ehrenamtlich aktiv sind. Aber auch Pfarrerinnen und Pfarrer finden hier neue Anregungen für ihre Arbeit. Die Liturgien eignen sich auch für Hauskreise und verschiedene Gemeindegruppen. „Die Iona-Gottesdienste vereinen keltische Spiritualität, benediktinische Tradition und ökumenische Gastfreundschaft“, sagt Pfarrerin Karin Schmid. Gemeinsam mit Frank Schulte habe sie die Liturgien so angelegt, dass sie sehr leicht in den normalen Gemeindealltag übernommen werden können. Alle abgedruckten Liturgien wurden im deutschen Kontext erprobt, sagt Karin Schmid, die selbst etliche Iona-Gottesdienste im Dekanat an der Dill gefeiert hat.
Geerdete Spiritualität, die die Welt verwandeln will
Die „Iona Community“ verkörpere eine „geerdete Spiritualität, die die Welt verwandeln will“. Die sprachliche Kraft der Liturgien sei eindrucksvoll, ganz am Puls der Zeit und lebe doch aus der Tradition, schreibt Professor Jochen Arnold im Vorwort des Buches. Die Iona-Liturgie vermittle eine Freude an der Fülle des dreieinigen Gottes und nutze Formulierungen, die ausgesprochen frisch daherkommen und sich der Welt als Gottes Welt zuwenden.
„Mich beeindruckt die Verbindung von Gottesdienst und Alltag. Bei den Mittagsgebeten für die Welt und ihre Menschen etwa steht jeweils ein anderes Thema im Mittelpunkt“, so Jochen Arnold weiter. Er nennt die Stichworte „Friede auf Erden“, „Bewahrung der Schöpfung“, „wirtschaftliche Gerechtigkeit“, „Gender und Sexualität“. Dazu gehöre es, dass die Liturgien nicht immer „glatt und gefällig“ daherkommen.
So werde etwa in der Abendliturgie der „Heilige Geist“ auch schon mal als „Störenfried“ und „Hebamme der Veränderung“ bezeichnet. Liturgisch Interessierte werden in dem Buch zahlreiche Ideen für Formulierungen von Gebeten und Meditationen finden. Besonders empfehlenswert sind die in dreifacher Gestalt und mit zahlreichen Varianten vorgestellten Abendmahlsliturgien.
» Buchtipp:
„Die ganze Welt gehört Gott“
Gottesdienste und Liturgien aus der Iona Community
Reihe „gemeinsam gottesdienst gestalten“
Band 33
von Karin Schmid und Frank Schulte (Hrsg.)
160 Seiten | 12,5 x 20,5 cm Hardcover
WGS 1543
ISBN 978-3-374-07069-5
19 Euro
erschienen in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig
www.eva-leipzig.de