75 Jahre EKHN: Fietz in Friedberg
Jubiläumskonzert: Niemöller nachspüren - dem Frieden nachjagen
EKHN/Volker RahnKonzert in der Burgkirche Friedberg mit Siegfried Fietz und Helwig Wegner-Nord04.10.2022 ahrt Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Die in bunte Farben beleuchtete Burgkirche war die letzte Station des Festtages zum 75-jährigen Jubiläum der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau am 1. Oktober. In einem Wechsel aus Text, Musik und Bildern präsentierte der christliche Liedermacher Siegfried Fietz gemeinsam mit dem Pfarrer und Publizisten Helwig Wegner-Nord und seinem Sohn Oliver Fietz ein berührendes und mitreißendes Porträt des ersten hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten.
Was würde Jesus dazu sagen?
Unter dem Motto „Welch ein Leben“ nahm Helwig Wegner-Nord die Besucher mit ins Jahr 1940, in die Zelle des Gefangenen Martin Niemöller, der in fiktiven Selbstgesprächen sein bisheriges Leben Revue passieren ließ. Zu diesem Zeitpunkt saß Niemöller bereits drei Jahre im Gefängnis, von den anderen Häftlingen wurde er strikt isoliert. „Also redete ich mit mir selbst und mit Gott.“ Dabei kommen Niemöller Erinnerungen an die Kindheit. Damals begegnete ihm ein Satz, der ihn ein Leben lang begleiten würde und zu seinem ethischen Maßstab wird: „Was würde Jesus dazu sagen“, von Siegfried Fietz im gleichnamigen Lied kraftvoll besungen.
U-Boot-Kommandeur und Schrecken von Malta
Niemöller kämpft als U-Boot Kommandeur im Krieg und versenkt feindliche Schiffe. Er gilt wegen seiner Treffsicherheit als „Schrecken von Malta". Doch ihm kommen Zweifel an Gehorsam und Treue. Als die Monarchie gestürzt wird und die Weimarer Republik entsteht, will er nichts wie weg aus Deutschland, gemeinsam mit seiner großen Liebe Else. Doch der Traum platzt. Stattdessen studiert er Theologie und wird Pfarrer. „Mein Leben kommt mir vor wie ein Flickenteppich, kreuz und quer gewebt.“ Daraus entstanden ist das Lied „Wie ein Gewebe ist das Leben.“ Siegfried Fietz wechselt während des Abends gekonnt zwischen Keyboard, Akkordeon und Gitarre. Seine Leidenschaft zur Musik ist mit jedem Ton spürbar. Die starken Texte berühren Kopf und Herz.
Pfarrer in Berlin
Niemöller wird Pfarrer in Berlin. Er ist viel mit Dietrich Bonhoeffer zusammen. Die beiden diskutieren, wie sie sich angesichts des Aufstiegs der NSDP verhalten sollen. „Wer steht an der Spitze unserer Kirche, Jesus oder Hitler?“, fragt Niemöller. Er widersetzt sich den Forderungen, einen Ariernachweis zu erbringen. Die Gestapo beobachtet ihn, er wird mehrfach angezeigt, aber lässt sich nicht beirren. Denn Niemöller ist überzeugt: „Christliche Verantwortung ist auch politische Verantwortung. Für uns Christen geht es um das ganze Leben.“
Widerspruch gegen Adolf Hitler
Als er bei einem Zusammentreffen Adolf Hitler widerspricht, wird er seines Amts enthoben, hält sich aber nicht an das Predigtverbot. Immer mehr Menschen möchten ihn hören. Am 1. Juli 1937 wird Niemöller schließlich festgenommen und später ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Zum Bild der Zelle auf der Leinwand singen Vater und Sohn vom letzten Funken Hoffnung und der Bitte Niemöllers, Gott möge trotz allem bei ihm bleiben. Denn „Gottes Wort, das führt zum Handeln“.
Wer ist Schuld an diesen Taten?
Nach seiner Befreiung wird Niemöller bewusst, dass er viel zu lange geschwiegen habe. Siegfried Fietz formuliert mit einfühlsamer Stimme die Fragen Niemöllers: „Wer ist schuld an diesen Taten? Warum sind so viele tot?“ Mit der Einsicht, dass so etwas nie wieder geschehen darf beginnt das pazifistische Wirken des Pfarrers. Fortan spricht er sich entschieden gegen jede Form von Aufrüstung und Wiederbewaffnung aus und wird schließlich zum ersten Kirchenpräsidenten der EKHN gewählt.
Kampf für den Frieden
„Krieg kann überwunden und Frieden geschaffen werden“, ist Niemöller überzeugt. Er kämpft mit aller Kraft dafür. „Bakesch Schalom - Suche Frieden und jage ihm nach.“ Dieses vehemente Eintreten für den Frieden des überzeugten Pazifisten Martin Niemöller ist angesichts der weltpolitischen Lage aktueller denn je. So klingen die eingängigen Liedzeilen noch lange nach, als die Musik längst verstummt ist. Für den Frieden muss man etwas tun, so der abschließende Apell. Und manchmal heißt das auch, zu widersprechen. Ein stimmungsvoller Abschluss des leuchtenden Festtags in Friedberg.
mehr über das 75-jährige Jubiläum der EKHN mit Infos zur Gründung
[Anna-Luisa Hortien]