Serie: Flüchtlinge im Kirchenasyl
Schwanger im Kirchenasyl
Tobias Boos/Boos+GoeckelLemlem Yonas Simye lebte rund elf Jahre auf der Flucht.16.09.2015 red Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Stefan Schäfers/EKHNLemlem Yonas Simye lebte vom 10. Juni bis zum 11. August 2014 im Kirchenasyl in der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Salzhausen. Sie hofft, dass ihre Tochter Maya hier zur Schule gehen wird.Von Torsten Jäger
Die zweite Hälfte ihres 22-jährigen Lebens hat Lemlem Yonas Simye auf der Flucht zuge-bracht. Die Jahre davor waren von Krieg und Gewalt in ihrem Heimatland geprägt.
Lemlems Mutter stirbt früh. Als der Vater zum Militärdienst eingezogen wird, vertraut er seine Tochter einer Freundin der Familie an. Weil die Lage in Eritrea immer bedrohlicher wird, flieht die Pflegemutter mit dem jungen Mädchen nach Somalia. Auch dort prägen gewalttätige Konflikte den Alltag. Lemlem kann nicht regelmäßig zur Schule gehen, sie hat keine Chance auf ein menschenwürdiges Leben. Als die Gewalt in Somalia immer weiter zunimmt, trennen sich die Wege von Lemlem und ihrer Pflegemutter. Über die Türkei flieht die mittlerweile junge Frau nach Europa. Sie legt weite Strecken zu Fuß zurück und schafft es schließlich bis nach Griechenland.
Leben in der Illegalität
Dort lebt Lemlem als nicht registrierte Flüchtlingsfrau in der Illegalität und von der Hand in den Mund. In prekären Arbeitsverhältnissen verdient sie gerade genug, um zumeist ein Dach über dem Kopf zu haben und Essen für den nächsten Tag. Sie lebt ständig mit der Gefahr sexualisierter Gewalt zum Opfer zu fallen oder von den griechischen Behörden entdeckt zu werden. Als Griechenland tief in die Wirtschaftskrise gerät, hat Lemlem auch dort keine Zu-kunft mehr. Wieder sieht sie ihre einzige Chance in der Flucht und landet schließlich in Un-garn.
Dort wird sie kurz darauf von der Polizei aufgegriffen und zur Wache gebracht. Man stellt ihre Personalien fest und gibt ihr zu verstehen, dass sie das Land sofort verlassen soll. Lemlem flieht weiter nach Deutschland und kommt Ende 2013 in eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im hessischen Bad Salzhausen im Wetteraukreis.
Kirchengemeinde kümmert sich von Anfang an um Lemlem
Die dortige Evangelische Kirchengemeinde ist aktiv beim örtlichen Runden Tisch für die Auf-nahme von Flüchtlingen. Lemlem nimmt deren Unterstützungsangebote regelmäßig in An-spruch und ist wegen ihrer Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in der Gemeinschaftsunter-kunft gut integriert. Als sie Anfang des Jahres 2014 schwanger wird, kümmern sich die Mit-glieder der Kirchengemeinde besonders intensiv um sie.
Im Frühjahr 2014 entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass Ungarn und nicht die Bundesrepublik wegen der Dublin-Regelung für Lemlems Asylantrag zuständig ist. Die schwangere Frau wird im Juni dazu aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Andernfalls wird ihr die Abschiebung nach Ungarn angedroht. Dort aber hat die junge Frau keinerlei Anknüpfungspunkte und sieht in ihrer persönlichen Situation keine Perspektive.
Endlich Ruhe im Kirchenasyl
Der eilig einberufene Kirchenvorstand entscheidet sich am 10. Juni 2014 nach ausführlicher Diskussion und einem Gespräch mit der jungen Frau dafür, ihr Kirchenasyl zu gewähren. Noch am gleichen Tag begibt Lemlem sich in die Obhut der Kirchengemeinde. Gut acht Wo-chen lang bleibt Lemlem im Kirchenasyl. In dieser Zeit nehmen sich Mitglieder der Kirchen-gemeinde der jungen Frau liebevoll an. Zugleich führen Ärzte aus der Gemeinde kostenlos und ehrenamtlich die vorgesehenen Vorsorgeuntersuchungen bei der Schwangeren durch. Lemlem kommt ganz langsam zur Ruhe.
Als Anfang August 2014 der Mutterschutz beginnt, der die junge Frau vor der Abschiebung nach Ungarn schützt, kann Lemlem am 11. August das Kirchenasyl verlassen. Sie bezieht wieder eine Unterkunft in Bad Salzhausen. Weil Mitte August zudem die sechsmonatige Frist endet, in der Deutschland Lemlem nach Ungarn hätte abschieben können, geht die Zustän-digkeit für ihr Asylverfahren an die Bundesrepublik über. Am 15. September 2014 bringt die junge Frau die keine Maya zur Welt. Die Patenschaft und die „Großelternfunktion“ überneh-men die Menschen, die sich auch im Kirchenasyl um Lemlem gekümmert haben.
Die komplette Geschichte von Lemlem Yonas Simye kann in der Broschüre „Aus gutem Grund – Kirchenasyl in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“ nachgelesen werden. Herausgeber sind die Diakonie Hessen und die EKHN. Die Broschüre kann bei der Diakonie Hessen bezogen werden. Ansprechpart-nerin ist Cornelia Dreuw im Bereich Flucht, Interkulturelle Arbeit und Migration.
Email an Cornelia Dreuw
Die Broschüre gibt es auch zum Download auf EKHN.de (PDF)