Hausputz für die Seele
Kirche startet „Hausputz für die Seele“
gobasilImpulspost Buße23.03.2016 red Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Unter dem Motto „Buße: Hausputz für die Seele“ wirbt die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in diesem Herbst dafür, eigenes schuldhaftes Verhalten im Alltag nicht einfach unter den Teppich zu kehren. Stattdessen soll mit Fehlern und Belastendem offen umgegangen werden. Das zentrale Aktionsmotiv mit einem gelupften türkisfarbenen Teppich will auf die befreiende Wirkung der Buße hinweisen und Lust zu einem inneren Hausputz machen. Ein Brief mit dem Motiv wird in diesen Tagen knapp eine Million Mal an alle evangelischen Haushalte im Kirchengebiet verschickt und in rund 500 Kirchengemeinden präsentiert. Die begleitende Internetseite „Hausputz für die Seele“ beschreibt als Ziel der Aktion: „Wer ernsthaft aufräumen möchte, muss den Blick auf die Bereiche lenken, über die wir sonst lieber hinwegsehen. Genau das meint das Wort Buße: umdenken, umkehren und sich neu ausrichten. Aber wer das Aufräumen wagt, wird auch Erleichterung erleben.“ Die Initiative steht in engem Zusammenhang mit dem bevorstehenden evangelischen Buß- und Bettag, der am 18. November begangen wird. Vor genau 20 Jahren wurde der frühere arbeitsfreie Feiertag zur Finanzierung der damals neu eingeführten Pflegeversicherung zu einem zwar „gesetzlich geschützten“ Feiertag, der aber ein normaler Arbeitstag bleibt.
In Briefkästen im gesamten Kirchengebiet: Eine Million Chancen zur Vergebung
Kern der Aktion sind fast eine Million Briefe an alle evangelischen Haushalte im gesamten Kirchengebiet. In dem Schreiben macht der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, Mut, einmal unter den eigenen Teppich zu blicken. Er betont, dass es zu den großen Schätzen des christlichen Glaubens gehöre, „ehrlich mit sich selbst und anderen umzugehen zu können“. Niemand sei frei von Fehlern und Versagen. „Aber es ist auch niemand für immer darauf festgelegt“, so Jung. Ein Neuanfang sei immer möglich und Schuld könne nach christlichem Verständnis vergeben werden. Dies könne Menschen entlasten. Jung regt an, sich persönlich mit Buße und Vergebung zu beschäftigen und weist auf die Gottesdienst hin, in denen Buße und Vergebung „ihren festen Platz“ haben. Ebenfalls seien persönliche Gespräche mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger, die dem Beichtgeheimnis unterliegen, hilfreich. Neben dem Blick auf sich selbst sei auch die Offenheit für andere wichtig. Deshalb nimmt der Kirchenpräsident auch die aktuelle Frage nach den Flüchtlingen auf, die derzeit in Deutschland Zuflucht suchen, und sagt: „Die damit verbundenen Herausforderungen sind für alle sehr groß. Wir können viel dafür tun, dass sie ein sicheres Zuhause finden und alle in unserem Land gut und friedlich zusammenleben.“ Neben den Briefen werden meterhohe Fassadenbanner mit dem Teppichmotiv an Kirchtürmen flattern und bunte Aktionskarten mit Bibelzitaten dafür werben, im persönlichen Leben nichts zu verdrängen.
Ballett der Reinigungsmaschinen: Himmlische „Kehr-Scharen“ fegen Sorgen weg
Speziell für die Aktion entstand auch ein Kurzfilm, in dem die „himmlischen Kehr-Scharen“ tanzen. Acht Reinigungsmaschinen der Firma Ibel und Lotz führen darin eine spezielle Choreographie rund um das Thema Buße auf. Es gilt als das weltweit erste „Kehrmaschinen-Ballett“. Der entstandene Film, bei dem 20 Schülerinnen und Schüler der Darmstädter Friedrich-List-Berufsschule mitwirken, ist unter anderem auf der Aktionsseite „Hausputz für die Seele“ im Internet zu sehen. Der Regisseur, Pfarrer Fabian Vogt von der Öffentlichkeitsarbeit der EKHN, erklärt, dass es das Ziel des Films sei, „eine anschauliche Geschichte zu erzählen, die das Erleben von Buße und Vergebung bildhaft vor Augen führt“. In dem Film erfahre eine Frau, die die dunklen Seiten ihres Lebens unter den Teppich kehrt, eine wundersame Begegnung mit den „himmlischen Kehr-Scharen“. Sie führten ihr „auf verblüffende Weise“ die befreiende Wirkung von Buße und Vergebung vor Augen. Die Macher erwarten, dass sich das ungewöhnliche Werk vor allem im Internet verbreitet.
Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse: Buße hat auch politische Dimension
Bei der Eröffnung der Aktion in Darmstadt machte die Dekanin des evangelischen Dekanats Darmstadt-Stadt, Ulrike Schmidt-Hesse, auch auf die politische Dimension der Buße aufmerksam. So seien Vergebung und Umkehr zentrale Themen des christlichen Glaubens und Lebens. Dabei gehe es um persönliche Schuld in „Gedanken, Worten und Werken“ durch falsches Verhalten, aber auch durch Nichtstun. Zugleich würden gesellschaftliche und politische Fragen berührt. „Unsere Wirtschafts- und Lebensweise etwa trägt mit dazu bei, dass in anderen Ländern Not und Gewalt herrscht, so dass Menschen fliehen müssen. Zum Thema Buße, Vergebung und Umkehr gehört auch die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte, und hier insbesondere mit dem Holocaust“, erklärte Schmidt-Hesse. Es sei deshalb notwendig „persönliche Schuld und Verstrickung in Schuldzusammenhänge zu erkennen, zu bekennen und um Vergebung zu bitten“. Wer dagegen den „Zuspruch von Vergebung erfährt, kann befreit werden zu neuem Handeln – im persönlichen, aber auch im gesellschaftspolitischen Bereich“, so Schmidt-Hesse.
Hintergrund zu Buß- und Bettag: Möglichkeit zum Neuanfang
Der Buß- und Bettag erinnert an ein Kernstück des christlichen Glaubens: Umkehr, Neuanfang und Vergebung. Der Tag kann Menschen helfen, über das eigene Verhalten nachzudenken, eigene Fehler zu bereuen und diese vor Gott zu bringen. Aus der Vergebung und der Liebe Gottes kann nach christlichem Verständnis die Kraft erwachsen, umzukehren und neu zu beginnen. Buße soll demnach niemanden niederdrücken und demütigen, sondern aufrichten. Der Begriff Buße ist dagegen im heutigen Sprachgebrauch weitgehend auf eine negative oder juristische Bedeutung reduziert. Davon zeugen Worte wie Bußgeld oder Geldbuße. Der erste evangelische Buß- und Bettag fand 1532 in Straßburg statt. Lange Zeit wurde er unregelmäßig begangen. Im Jahr 1852 wurde erstmals ein einheitlicher Buß- und Bettag vorgeschlagen, der jedoch erst 1934 von der Evangelischen Kirche in Deutschland flächendeckend eingeführt wurde. 1995 wurde er zur Finanzierung der Pflegeversicherung fast überall als arbeitsfreier Feiertag abgeschafft. Er ist nur noch in Sachsen arbeitsfrei.
Hintergrund zur Aktion: 43 Cent pro Mitglied
Seit 2012 versendet die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zwei Mal im Jahr einen Brief an alle Mitglieder mit einem besonderen Glaubens-Anstoß. Sie will mit der sogenannten „Impulspost“ Themen, die für die Menschen und ihr Zusammenleben wichtig sind, mit einer besonderen christlichen Perspektive zu ihren Mitgliedern bringen. Ziel ist es, zum Nachdenken über den eigenen Glauben neu anzuregen. Die dazugehörigen Materialien für die Gemeindearbeit und den Unterricht sind so angelegt, dass sie über die Aktionen selbst hinaus verwendet werden können. Beteiligt an der aktuellen Ausgabe waren die Öffentlichkeitsarbeit der EKHN sowie eine Projektgruppe mit Personen aus der südhessischen evangelischen Propstei Starkenburg. Die professionelle Umsetzung übernahmen wieder die Agentur „gobasil“ (Hamburg / Hannover) und das Evangelische Medienhaus (Frankfurt). Das Schreiben wurde an insgesamt 995.842 evangelische Haushalte geschickt, darunter rund 11.600 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren, deren Eltern keiner Konfession angehörten. Insgesamt hat die EKHN rund 1,6 Millionen Mitglieder. Zudem bestellten 472 Gemeinden und Einrichtungen 650 Fahnen oder rund acht Meter lange Großbanner mit dem Aktionsmotiv, die im Kirchengebiet von Biedenkopf im Norden bis Neckarsteinach im Süden und von Schlitz im Osten bis Bingen im Westen auf den „Hausputz für die Seele“ aufmerksam machen. Für die Aktion fallen im Ganzen rund 685.000 Euro an. Alleine die Portokosten für den Briefversand betragen etwa 250.000 Euro. Insgesamt kostet die Aktion damit etwa 43 Cent pro Kirchenmitglied.
Fotos zum Download:
bitte Quelle Christoph Rau angeben: www.christoph-rau.de