Kirchentag in Berlin
„Gott hat alles gut gemacht, aber er will unsere Mitarbeit“
Rita DeschnerMit einer La-ola der liebevollen Blicke hatten die Gottesdienstbesucher vor dem Brandenburger Tor ihre Augen nach Norden, Süden, Osten und Westen gerichtet24.05.2017 rh Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
„Unterschiedlichkeit und Vielfalt kann man nicht nur aushalten, sondern sich daran freuen“, sagte Prof. Dr. Dr. Andreas Barner, Präsidiumsvorstand des Deutsche Evangelische Kirchentages zu Beginn des großen, fünftägigen evangelischen Glaubensfestes. Mit drei Eröffnungsgottesdiensten startete offiziell der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) in Berlin im 500. Jubiläumsjahr der Reformation am Mittwochabend, den 24. Mai 2017. Einen dieser Gottesdienste feierten die Kirchentagsbesucherinnen und -besucher am Brandenburger Tor „in ökumenischer Weite“. Mit einer La-Ola der liebevollen Blicke hatten die Gottesdienstbesucher ihre Augen nach Norden, Süden, Osten und Westen gerichtet.
Andreas Barner von Boehringer Ingelheim auf dem Kirchentag
Vor dem Brandenburger Tor hatte Prof. Dr. Dr. Andreas Barner, Kirchenmitglied der EKHN und Präsidiumsvorstand des DEKT, die Aufgabe, den Kirchentag zu eröffnen. Bis 2016 war Andreas Barner Sprecher der Unternehmensleitung von Boehringer Ingelheim und ist anschließend in den Gesellschafterausschuss des Pharmakonzerns gewechselt. In seiner Ansprache hatte der studierte Mediziner und Mathematiker Andreas Barner das Kirchentagsmotto „Du siehst mich“ aufgegriffen und betont, dass wir das Vertrauen bräuchten, dass uns Gott sehe. „Dann können wir einander besser sehen. Wenn wir uns vertrauen, können wir das Fest des Glaubens feiern.“ Und schließlich sprach er die Worte: „Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag in Berlin und Wittenberg ist eröffnet!“
Starke Worte aus Lutherischer Kirche in Tansania
Dass die Ideen der Reformation auch in Afrika bis heute wirksam sind, machte Dr. Fredrick Onael Soho mit seiner Präsenz deutlich, er ist leitender Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania. Seine Kirche gilt mit 6,3 Millionen Mitgliedern als zweitgrößte lutherische Kirche der Welt. In seiner Predigt gab er den Zuhörerinnen und Zuhörern mit auf den Weg: „Gott hat alle Dinge gut gemacht.“ Das bemerkten Menschen in Afrika jeden Tag, wenn sie die weiten Steppen, die Elefanten, die Zebras sähen. Er betonte: „Gott hat sie gemacht. Dich und mich. Wir danken Gott: Wie wunderbar hast du uns Menschen gemacht.“ Doch angesichts von Hunger, Trauer, Krankheit oder Arbeitslosigkeit zweifelten viele Menschen an dieser Glaubensaussage. Des weiteren erinnerte er an den Klimawandel und Waffenlieferungen nach Afrika, dabei hatte er die Verantwortlichen in Deutschland, Europa und den USA im Blick. Aber er betonte: „Gott hat alles gut gemacht. Gott will aber auch, dass Menschen mitarbeiten, dass alles gut wird.“ Deshalb hätten Konfirmandinnen und Konfirmanden am Kilimandscharo innerhalb von zehn Jahren bereits drei Millionen Bäume gepflanzt. Der Bischof aus Afrika appellierte: „Kämpft gegen den Klimawandel, reduziert den Ausstoß von Kohlendioxid, liefert keine Waffen nach Afrika, tretet ein für die Versöhnung zwischen Völkern und Religionen. Bietet unseren Ländern faire Wirtschaftsbeziehungen an. Nehmt euch der Flüchtlinge an. Teilt euren Reichtum.“
Start mit lebendiger Liturgie
Die Liturgie hatte Pfarrerin Dr. Christina-Maria Bammel im Blick. Sie ist Oberkonsistorialrätin für „Kirchliches Leben“ in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Der Gottesdienst hat sich auch auf die Bedürfnisse auf Menschen mit Beeinträchtigungen ausgerichtet, so orientierten sich die Predigt an leichter Sprache, Gebärdendolmetscherinnen machten die Inhalte tauben Menschen verständlich, zudem hatten Rollstuhlfahrer auf einer erhöhten Bühne die Chance, nichts zu verpassen.
Kunst und Musik
Den Gottesdienst bereicherten zudem die Choreografin Louise Wagner und die BBoys aus Berlin. Mit ihrer starken Stimme begeisterte Sarah Kaiser das Publikum, aber auch die Posaunenchöre des Kirchentages und Timo Böcking & Friends sorgten für besinnliche und kraftvolle Klänge. Kirchenmusikdirektorin Barabara Barsch sowie Timo Böcking hatten die musikalische Leitung inne.
Trauer um Opfer in Manchester, enge Abstimmung mit Polizei zur Sicherheit der Kirchentagsbesucher
Am Mittag hatte die Kirchentagspräsidentin Prof. Dr. Christina Aus der Au auf einer Pressekonferenz darauf hingewiesen, dass das Jubiläum in eine Zeit falle, die von rasantem Umbruch geprägt sein, „Krisen und Kriege erschüttern die Welt.“ Der Kirchentag werde neben all dem fröhlichen Feiern auch ein nachdenklicher, ein ernsthafter Kirchentag sein. Der Anschlag von Manchester am 23. Mai mache sie fassungslos wütend und traurig. Die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags Dr. Ellen Ueberschär betonte: „Wir sind Manchester.“ Zur Sicherheitslage auf dem Kirchentag erläuterte Christina Aus der Au: „Die Kirchentagsorganisation ist mit ihrem Sicherheitskonzept in enger und permanenter Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden und der Polizei.“ Stephan Menzel, der Geschäftsführer des Kirchentages, informierte um die Mittagszeit: „Die Sicherheitslage hat sich nicht verändert. Es gibt keine Hinweise. Wir sind wachsam und bleiben wachsam.“ Kirchentagspräsidentin Aus der Au Aber konnte allerdings ein Versprechen absoluter Sicherheit nicht geben. Sie ermutigte: „Der Angst können wir nur mit Vertrauen und Zuversicht begegnen.“
Zuversicht trotz Krieg und Terror - Dialog mit AfD
Gerade in Zeiten wir diesen werde der Kirchentag unter die Losung „Du siehst mich“ gestellt. Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au erklärte: „Wenn ich jemand wertschätzend ansehe, kann Gutes entstehen.“ Deshalb setze das Kirchentags-Team auf Begegnung und das Kennenlernen anderer Überzeugungen, anderer Weltanschauungen, anderer Religionen. Ein Grund für den Berliner Bischof Dr. Markus Dröge, am Donnerstag mit Annette Schultner von der AfD zu sprechen. Er erklärte: „Die AfD behauptet, sich für das christliche Abendland einzusetzen. Gerade hier sind wir herausgefordert, über christliche Ethik zu diskutieren.“ Mögliche Boykottaufrufe bezüglich dieser Veranstaltung empfand Kirchentagspräsidentin Aus der Au als „schade“ und erklärte: „In Grenzsituationen ist es uns lieber, einmal zu viel mit Menschen zu reden als über sie.“ Bischof Dröge machte allerdings auch deutlich, dass er Abstand davon nehme für diejenigen zur Verfügung stehen, die ausschließlich auf Provokation setzten.
Der Deutsche Evangelische Kirchentag und die Kirchentage auf dem Weg
Mit zahlreichen Veranstaltungen lädt der Deutsche Evangelische Kirchentag Berlin – Wittenberg die Besucherinnen und Besucher unter dem Motto „Du siehst mich“ (1. Mose 16,13) ein, sich Glaubensthemen zu öffnen, kulturelle Vielfalt zu genießen und bei gesellschaftspolitischen Themen mitzudiskutieren. Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Installationen und Performance-Darbietungen, Talk-Runden und vieles mehr gehören zum Programm. Der Kirchentag beginnt in Berlin, endet aber mit einem Festgottesdienst auf den Elbwiesen in Wittenberg am 28. Mai. Parallel feiern acht Städte ab dem 25. Mai die „Kirchentage auf dem Weg“: In Dessau-Roßlau, Erfurt, Halle/Eisleben, Jena/Weimar, Leipzig und Magdeburg sind kulturelle, spirituelle und touristische Stationen auf dem Weg zum gemeinsamen Festgottesdienst am Sonntag in Wittenberg.
Engagiert dabei
Das vielfältige Programm mit fast 2500 Veranstaltungen in Berlin ermöglichen über 30.000 Mitwirkenden in Bläser- und Sängerchören, sowie haupt- und ehrenamtlich Mitwirkende bei Aufführungen, Ausstellungen, Bandkonzerten und Einlasskontrollen. Aktiv gestalten sie das Programm auf 55 Bühnen. Neben politischen Größen wie Barack Obama und Angela Merkel sind zahlreiche renommierte Bühnenkünstlerinnen und Künstler außerdem dabei, unter anderem Max Giesinger, Yvonne Catterfeld, Omer Klein, Bodo Wartke, Eckart von Hirschhausen, Nina Hagen und Michael Wollny. Aus der EKHN sind zahlreiche Ehrenamtliche aktiv dabei, aber auch Kirchenpräsident Dr. Volker Jung, Liedermacher Clemens Bittlinger, der Theologe Prof. Dr. Kristian Fechtner, Prof. Stefan Claaß vom Theologischen Seminar Herborn, das Team vom Stadtjugendpfarramt Wiesbaden, das Musical-Team vom Zentrum Verkündigung der EKHN, das Kabarett-Team „Duo Camillo“, die Band „Habakuk“, zahlreiche Pfarrerinnen und Pfarrer, Posaunenchöre – und viele, viele mehr.
Andreas Barner:
Prof. Dr. Dr. Andreas Barner studierte Medizin sowie Mathematik und schloss beide Studiengänge mit einer Promotion ab. 1999 war er als Mitglied der Unternehmensleitung des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim für den Unternehmensbereich Pharma-Forschung, Entwicklung und Medizin zuständig. Seit 2009 war er Sprecher der Unternehmensleitung in dem Familienunternehmen.
Bis 2016 war Andreas Barner Vorsitzender der Unternehmensleitung des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim. Anschließend ist er in den Gesellschafterausschuss von Boehringer Ingelheim gewechselt, das oberste Leitungsgremium des Pharmakonzerns. Der Gesellschafterausschuss versteht sich als Steuerungsgremium für die Unternehmensleitung, vergleichbar mit einem Aufsichtsrat.
Andreas Barner nimmt Funktionen in mehreren Verbänden wahr, so ist er beispielsweise seit 2013 Präsident des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und Präsidiumsmitglied der Deutschen Industrie. 2007 wurde er vom Bundespräsidenten in den Wissenschaftsrat berufen.
Aber auch in der evangelischen Kirche ist Barner aktiv. In den Rat der EKD wurde er im November 2015 gewählt und hatte die Präsidentschaft des 35. Evangelischen Kirchentages in Stuttgart 2015 inne. Während des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Berlin ist er Mitglied des Präsidiums. Die Mitglieder des Präsidiums tragen die Verantwortung für den DEKT und bestimmen die Zeit, den Ort und das Programm der jeweiligen Kirchentage.