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    Gentechnik

    Ehrfurcht vor dem Leben: Gilt das auch für den „Gen-Lachs“?

    @ Stock photo, DaveAlanLachs-SchwarmLachs - Mitgeschöpf mit eigener Würde

    In den USA wurde ein genetisch veränderter Lachs zum Verzehr frei gegeben. Auch in Deutschland gibt es Lebensmittel, die mit Gentechnik direkt oder indirekt in Berührung gekommen sind. Wird hier noch die Würde von Lebewesen geachtet, die sie als Geschöpfe Gottes besitzen?

    In den USA ist das erste Tier, ein gentechnisch veränderter Lachs, für den Verzehr frei gegeben worden. Durch Veränderungen am Erbgut wächst er besonders schnell. „Das lehnen wir eindeutig ab“,  darin sind sich Dr. Maren Heincke und Pfarrer Dr. Hubert Meisinger vom Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN einig. „Der Gen-Lachs ist ein Paradebeispiel, bei dem die Anwendung von Forschungsergebnissen eine Grenze überschritten hat. Denn hier geht es ganz offensichtlich nur um den kommerziellen Nutzen. Als Geschöpf Gottes hat der Lachs eine eigene Würde und Gottunmittelbarkeit und beides wird ihm hier genommen. Soll am Ende einer solchen Entwicklung auch noch der Mensch genetisch verbessert werden, nur weil wir dazu in der Lage sein könnten? Nicht nur dieser letzte Schritt und das dahinter stehende Denken wäre vollig abstrus“, Umweltpfarrer Meisinger findet deutliche Worte. Seine Kollegin Maren Heincke, die Referentin für den ländlichen Raum, betont: „In diesem Fall wird der Fisch zu einer Sache degradiert. Seine Integrität als Tier wird nicht mehr gewahrt, er wird nicht mehr als Lebewesen betrachtet, sondern auf das Endprodukt `Fischfilet´ reduziert.“ Meisinger pflichtet ihr bei: „Ich sehe keinerlei Notwendigkeit, dieser Fischart so etwas anzutun. Damit wird auch kein Ernährungsproblem gelöst, sondern ein Luxusproblem in die Welt gesetzt, das überhaupt nicht gelöst werden muss.“

    Kritischer Punkt bei TTIP-Verhandlungen: Einfuhr gentechnisch veränderter Lebensmittel

    Gegenwärtig wird in Deutschland dieser Lachs nicht verkauft. Doch Maren Heincke warnt: „Die strengen Zulassungskriterien in der EU und der hohe Verbraucherschutz sind keine Selbstverständlichkeit. Gerade die Einfuhr genetisch veränderter Lebensmittel aus den USA nach Deutschland ist bei den TTIP-Verhandlungen ein kritischer Punkt.“ Die Diplom-Agrarwissenschaftlerin appelliert an die Bürger, ihre Vorbehalte deutlich zu machen. Sie macht deutlich: „Wir haben hohe Verbraucherschutz-Standards, aber die müssen verteidigt werden.“

    Darum geht es

    Ende 2015 hatte die Lebensmittelbehörde (FDA) in den USA  erlaubt, dass die besonders schnell wachsende, genmanipulierte Lachsart mit der Bezeichnung „AquAdvantage“ verkauft werden darf. Die schneller wachsenden Lachse erreichen zudem ein höheres Schlachtgewicht. Laut einem Bericht von Zeit-Online hat dies die Firma AquaBounty Technologies dadurch erreicht, dass der Lachs genetisches Material von zwei weiteren Fischen in sich trägt: Vom Königslachs hat er die Information für die Produktion eines Wachstumshormons erhalten, ein Schellfisch-Gen steuert die Menge der Hormon-Produktion. Ursprünglich werden bei dem Lachs nur zu bestimmten Zeiten Wachstumshormone produziert, beim genmanipulierten Tier das ganze Jahr über.  Wie Zeit-Online berichtet, dürfen diese Lachse nur in speziellen Fischfarmen mit abgeschlossenen Tanks ohne Verbindung zu offenen Gewässern aufgezogen werden. Gegenwärtig befinden sich solche Anlagen nur in Kanada und Panama, von wo aus die Fischprodukte in die USA exportiert werden. Zudem erklärte die Lebensmittelbehörde, dass auf der Verpackung des Lachses die Genveränderung nicht gekennzeichnet werden muss.

    Weitere Argumente

    Maren Heincke erklärt die Gründe für ihre Ablehnung:

    • Menschliches Versagen als Gefahrenquelle: Die genetisch veränderten Lachse werden zwar in Tanks ohne Kontakt zu frei fließendem Gewässer gehalten, doch menschliche Fehler sind nicht auszuschließen. Zahlreiche Katastrophen und Unfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen, wie beispielsweise die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Auch Erdbeben oder Überschwemmungen können Vorkehrungen überwinden.
    • Unkalkulierbar veränderte Funktionen von genetischem Material: Das Genom ist ein hochkomplexes System. Ein einzelnes Gen ist nicht nur für eine Funktion zuständig, sondern steuert meist mehrere Funktionen mit anderen Genen. Die Gene interagieren also untereinander. Das heißt: Der Eingriff in einen bestimmten Genabschnitt hat meist nicht nur die erwünschten Folgen, wie ein stärkeres Wachstum. Oft sind damit nicht kalkulierbare Nebeneffekte und Risiken für das Tier verbunden.
    • Kurzfristige Scheinlösung: Erfahrungen mit genveränderten Nutzpflanzen untermauern die Annahme, dass Änderungen im Erbgut auch unerwünschte Folgen in der Umwelt nach sich ziehen können. So wurden Feldfrüchte wie z.B. Soja gentechnisch so verändert, dass sie eine einfachere Unkrautbekämpfung ermöglicht haben. Die herbizidresistente Sojabohne ist unempfindlich gegen ein Glyphosat haltiges Unkrautbekämpfungsmittel. Doch im Laufe der Zeit haben die Unkräuter Resistenzen gegen dieses Unkrautvernichtungsmittel entwickelt.  Die Folge ist: Das Problem der Unkräuter hat zugenommen. Gentechnik hat hier nur zu einem kurzfristigen Scheinerfolg geführt. Sinnvoller wären nachhaltige Lösungen, die das Gesamtsystem berücksichtigen sowie eine verantwortungsvolle Abwägung zwischen Chancen und Risiken.
    •  Unkalkulierbarer Eingriff in eine lange Entwicklung: Das gegenwärtige Genom eines Lachses steht am Ende einer langen Entwicklung. Schon vor 450 Millionen Jahren besiedelten die ersten Fische die Meere. Das Genom der Lachse sorgt heute für einen perfekt abgestimmten Lebensrhythmus der Lachse mit ihren Wanderungen, Fortpflanzungs-Zeiten, usw. Das veränderte Gen des Lachses wird auch in die nächste Generation vererbt, es wäre eine Veränderung auf Dauer. Auch hier sind die Risiken nicht abschätzbar.
    • Unkalkulierbare Nebeneffekte durch Veränderung des Hormonhaushaltes: Erfahrungen in den USA mit Nutztieren, die Wachstumshormone im Futter erhalten, zeigen: Viele dieser Tiere bekommen Probleme mit dem Knochen- und Gelenkwachstum. Auch der Hormonhaushalt ist ein hochkomplexes und sensibles System, das mit vielen Organen im Austausch steht. Das bedeutet: Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein genetischer Eingriff mit geplanten Auswirkungen auf Wachstumshormone möglicherweise auch unerwünschte Konsequenzen für die Gesundheit und Lebensqualität der Tiere hat.
    • Integrität des Genoms verletzt: Die Integrität des Genoms wurde verletzt, da der Fisch nun genetisches Material von drei verschiedenen Arten in sich trägt. Zudem gehört der Schellfisch nicht zur Gruppe der „Lachsartigen“, sondern zur Familie der Dorsche.
    • Lebewesen wie eine Sache behandelt: Der Grund, aus kommerziellen Gründen einen Lachs genetisch zu verändern, ist ethisch nicht zu vertreten. Hier wird das Tier zu einer Sache degradiert.

    Schönheit und Weisheit als innerer Kompass für Entscheidungen

    Gibt es eine Art inneren Kompass, gute Entscheidungen zu treffen – ob als Forscher oder Kunde im Supermarkt? „Neben unserem umfangreichen Wissen und Argumenten kennt unsere jüdisch-christliche Tradition den Begriff der `Lebensmitte´, im Hebräischen als `lev´ bezeichnet“, erklärt Hubert Meisinger. Sie umfasse unsere Erfahrungen, die unserer Persönlichkeit geprägt haben, unsere Glaubenserfahrungen, unser Herz, unser intuitives Verständnis von Schönheit und insbesondere Weisheit – nicht zuletzt auch die Erkenntnis, dass alles Lebendige miteinander vernetzt sei. „Doch oft verlieren wie den Kontakt zu unserem tiefsten Inneren. Deshalb ist es wichtig, das Staunen zurück gewinnen. Sich Zeit zu nehmen, um unsere Mitgeschöpfe, das Schöne und Erhabene um uns und in uns wahrzunehmen. Ansonsten verlieren wir in letzter Konsequenz jegliche Menschlichkeit und werden zu Objekten unserer eigenen Sinnlosigkeit“, so der Umwelt-Pfarrer.    

    Gentechnik nicht grundsätzlich verteufeln – Einzelfall prüfen

    Allerdings warnt der Referent für Umwelt und digitale Welt auch davor, Gentechnik grundsätzlich zu verteufeln. „Menschen sind neugierig. Zum Forscherdrang gehört, ins Kleinste und Größte schauen zu wollen. Allerdings sollten Forschungsvorhaben im Einzelfall genau angeschaut werden, Argumente abgewogen, Traditionen, Ziele, Interessen, Folgen und Absichten betrachtet – und Emotionen berücksichtigt werden,“ so Meisinger.  Bei Entscheidungen sollten immer mehrere Stimmen, die unterschiedliche Perspektiven vertreten, gehört werden. Daher sehe er in der Gentechnik keinen generell abzulehnenden Eingriff in Gottes Schöpfung, da der Mensch sehr oft in die Schöpfung interveniere: „Selbst Jesus hat durch die Heilung der Kranken das Vorhandene verändert.“ Allerdings sei immer mit zu überlegen, ob die Gottunmittelbarkeit der Geschöpfe beeinträchtigt werde - oder ob Symptome oder Ursachen beseitigt werden.

    Gentechnik im Einkaufskorb?

    In Deutschland wird kein Gen-Lachs gezüchtet und seit 2012 werden auch keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr kommerziell angebaut. Doch in deutschen Supermärkten liegen durchaus Produkte, die mit Gentechnik in Berührung gekommen sind. Dies betrifft u.a. indirekt Fleisch, Milch und Eier. Denn viele Nutztiere in Deutschland bekommen Futter, das mit Gentechnik in Kontakt gekommen ist. Die Bundesregierung informiert darüber, dass Deutschland und die EU rund 35 Mio. Tonnen zum größten Teil gentechnisch veränderte Sojabohnen als Futtermittel aus Nord- und Südamerika importieren. Allerdings würden sich nach dem heutigen Stand der Forschung gentechnisch veränderte Futtermittel nicht nachteilig auf die tierischen Produkte und die menschliche Gesundheit auswirken.  In der EU dürfen gentechnisch veränderte Futter- und Lebensmittel nicht ohne Zulassung den Verkehr gebracht werden, derzeit gibt es 50 dieser Zulassungen. Das europäische Recht schreibt eine Kennzeichnungspflicht vor, wenn ein Lebensmittel mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Bestandteile erhält. Hier ist aber beispielsweise das Fleisch von Tieren ausgenommen, die gentechnisch veränderte Futtermittel erhalten haben. Gekennzeichnet sind vor allem wenige importierte Lebensmittel aus Nordamerika oder dem asiatischen Raum wie Süßigkeiten oder einzelne Soja-Saucen.

    Bundeslandwirtschafts-Ministerium: Gentechnik und Lebensmittel: Die wichtigsten Fakten

    Bundesverbraucherschutz-Ministerium: Themen-Special "Gentechnik"

    Themen-Special "Schöpfung"


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