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    Podium Mittelhessen

    Die Menschen mitnehmen

    Transformation – das neue Schlagwort, wenn es um Veränderungsprozesse geht. Nicht nur die Kirche auch die Wirtschaft in Mittelhessen "transformiert" sich. Eine Podiumsveranstaltung widmete sich dem Thema. Unter den Experten war auch Pröpstin Sabine Bertram Schäfer.

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    Viele Veränderungsprozesse prallen aktuell gleichzeitig auf die Gesellschaft sowie auf Unternehmen und deren Beschäftigte: Digitalisierung, Transformation der Arbeitswelt, Migration, ökologische Transformation. Und sie verunsichern, sie sorgen bei Betroffenen für Ängste und Widerstand.

    Vor Wandel und Sorgen steht insbesondere auch die Region Mittelhessen, sie beheimatet mit dem Lahn-Dill-Kreis eine der am stärksten industrialisierten Regionen in Deutschland, mit etlichen Automobilzulieferern, die voraussichtlich besonders stark von Transformation betroffen sein werden.

    Welche Folgen hat sie für die Wirtschaft, welche für die Menschen? Wie sollten Unternehmen in diesem Prozess mit ihren Beschäftigten umgehen? Professor Dr. Michael Stephan, Wirtschaftswissenschaftler und Innovationsforscher an der Universität in Marburg, hat darüber in Dillenburg berichtet. Anschließend diskutierte er gemeinsam mit Pröpstin Sabine Bertram-Schäfer (Evangelische Kirche Hessen-Nassau), Robin Mastronardi (DGB Mittelhessen) und Dominic Diessner (Team MIT).

    Veranstalter in den Räumen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lahn-Dill war das Netzwerk „Team MIT“, das eine Transformationsstrategie für die Fahrzeug- und Zulieferindustrie in Mittelhessen entwickelt. Hinter dem Netzwerk stehen unter anderem das Regionalmanagement Mittelhessen, Hochschulen sowie über 50 Unternehmen und Organisationen aus der Region.

    Professor Stephan definierte Transformation als „Prozess, der weitreichende Veränderungen in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft umfasst“. Zurzeit gebe es ganz viele Transformationen parallel, wie zum Beispiel Digitalisierung, in der Arbeitswelt (lebenslanges Lernen, Homeoffice), durch Migration („Gut, dass es sie gibt, denn sonst würden wir in Deutschland schrumpfen“) und die ökologische Transformation.

    Ausgelöst würden sie durch das Zusammenspiel verschiedener Megatrends („Wir haben aktuell etwa 20 bis 25“), also große gesellschaftliche Umwälzungen, in Deutschland beispielsweise den demografischen Wandel. „Ich kenne fast keinen Sektor, der aktuell keinen großen Veränderungen unterzogen ist“, sagte der Wissenschaftler.

    Für Unternehmen bedeute das: umsteuern. In der Automobilindustrie werde die Transformation durch die Digitalisierung, den Antriebswechsel von Verbrennern zu Elektro-Autos sowie das Thema Nachhaltigkeit ausgelöst. Eine Umfrage in Mittelhessen zeige: Autozulieferer auf zweiter, dritter oder vierter Ebene der Lieferkette würden sich oft als zum Beispiel Maschinenhersteller sehen – und deshalb auch den Veränderungszwang nicht erkennen.

    Viele Autozulieferer sehen laut Stephan die Transformation aber auch nicht als Bedrohung, sondern durch das Innovationspotenzial als Chance. Als größtes Risiko beim Wandel werde der Fachkräftemangel genannt. Transformation könne gelingen, wenn viele Beteiligte (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, etc.) mitspielten.

    Aber wie reagieren Menschen auf Transformation? Da gebe es gängige Muster. Die wissenschaftlich belegten Reaktionen auf Veränderungen unterteile die Beteiligten, sie reichen von Visionären über Opportunisten, die ihre eigenen Vorteile sehen, über Abwartende, Widerständler bis zu Emigranten, die sich einfach ausklinkten.

    Die Gegenargumente seien immer die gleichen und würden abgewandelt bei jeder Transformation genutzt. Beispiel E-Mobilität: Es gebe noch keine Ladeinfrastruktur, man wolle erstmal abwarten, die Reichweite sei zu gering, es sei zu teuer. Dahinter steckten tiefere Ursachen des Widerstands: Nicht-Wissen und Nicht-Wollen, außerdem psychologische Ursachen wie Bequemlichkeit und Gewohnheit, Angst vor Veränderung und Statusverlust. „Diese Muster sind immer die gleichen. Wir könnten Improvisationstheater spielen. Sie nennen einen Megatrend und ich die Gegenargumente.“

    Wie umgehen mit diesen Widerständen? Der Forscher macht drei Vorschläge: Transparenz schaffen und über die Transformation in Unternehmen aufklären; die Beteiligten in den Veränderungsprozess einbinden; die Beschäftigten befähigen, also weiterbilden und so für die Veränderung qualifizieren.

    In der anschließenden Diskussion warb Gewerkschafter Robin Mastronardi um Verständnis für die Beschäftigten: „Mitarbeiter reagieren erstmal reserviert auf Veränderungen. Sie sind stolz auf das, was sie in den letzten Jahren gemacht haben. Und durch die Transformation stehen sie vor der Frage: War das falsch, was ich bisher gemacht habe?“

    Es gehe bei dem Widerstand nicht um Technologiefeindlichkeit, aber die Beschäftigten wollten die Veränderung aktiv mitgestalten. Und für die Gewerkschaften stellte er klar: „Es bringt nichts, wenn wir dagegen hauen. Wir müssen alle an einem Seil ziehen und die Region mit nach vorne bringen.“


    Kirchen haben Erfahrung mit Transformation

     

    An der Podiumsdiskussion nahmen neben Prof. Dr. Stephan auch Sabine Bertram-Schäfer, Pröpstin Evangelische Propstei Nord-Nassau, Robin Mastronardi, Regionsgeschäftsführer des DGB Mittelhessen und Dominic-Klaus Diessner, Projektleiter TeamMit, teil. Sabine Bertram-Schäfer brachte ihren Blick auf Veränderungen und Transformationen wie folgt ein: „Als Kirche haben wir jahrhundertelang Erfahrung mit Wandel und Transformation. Wir begegnen den daraus erwachsenden Herausforderungen mit der Beteiligung möglichst vieler Menschen.“ Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass Transformation immer auch ein Stück weit Trauer bedeute, weil Menschen von etwas Gewohntem ablassen und sich auf etwas Neues einstellen müssten.

    Pröpstin Sabine Bertram-Schäfer sprach von „sehr vielen Veränderungen auf vielen Ebenen in sehr schneller Zeit“. Und auch sie sagte: „Wir müssen die Menschen mitnehmen, sonst wird das nichts.“ Und beim Loslassen von Altem, Liebgewonnenem müsse man auch der Trauer Raum lassen.

    Für Transformationsprozesse in der Kirche habe man sozusagen Trauerbegleiter, die den Menschen erstmal zuhören und wertschätzen, was sie gemacht haben. Wissenschaftler Michael Stephan stimmte zu: „Die Ängste sind absolut nachvollziehbar. Man kommt besser an die Leute ran, wenn man sie mitnimmt.“

    Transformation aus Sicht der Gewerkschaften

    Diesen Gedanken griff Robin Mastronardi auf und berichtete aus Sicht des DGB: „Das Thema Transformation kommt bei den Beschäftigten sehr unterschiedlich an.

    Viele sind stolz auf das, was sie in den letzten Jahren geschafft haben. Durch die Transformation stehen sie jetzt plötzlich vor der Frage: War das falsch, was ich bisher gemacht habe?“ Er erklärte weiter, dass die Gewerkschaften mit viel Feingefühl vorgingen, um die Transformation mit einer positiven Perspektive zu verbinden und Beschäftigte sowie Betriebsräte aktiv miteinzubinden. Gleichzeitig unterstrich er, dass die Gewerkschaften viele Potenziale hätten und dass sie den Prozess aktiv begleiten und mitgestalten wollten, um die Region und somit auch den Wohlstand zu sichern.

     

    Initiator TeamMit Netzwerk

    TeamMit ist ein Bündnis aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Ziel des Netzwerkes ist, den Strukturwandel in der Region aktiv zu gestalten und Unternehmen, Institutionen und regionale Akteure gezielt zusammenzuführen. Dazu gehört es auch, die von der Transformation betroffenen Arbeitnehmenden sowie die Bürgerinnen und Bürger der Region über die Arbeit des eigentlich auf Unternehmen fokussierten Netzwerks zu informieren und sie zu integrieren.

    Dominic-Klaus Diessner ist Projektmanager bei TeamMit. In zahlreichen Besuchen bei Unternehmen vor Ort hat er viel über deren Transformationsstand und Transformationsdruck erfahren. Für das Projekt resümiert er: „TeamMit wird von so vielen verschiedenen Akteuren aus unterschiedlichsten Bereichen getragen. Das schafft völlig neue Möglichkeiten. Deshalb glaube ich fest, dass wir etwas bewegen können – in der Region und für die Region. Denn gemeinsames und regionales Gestalten ist wichtig und möglich.“

     


    Publikumsdiskussion und Fazit

    In der offenen Diskussionsrunde gab es zahlreiche Wortmeldungen der Anwesenden, darunter auch Gastgeber Dietmar Persch von der IHK Lahn-Dill, der betonte: „Für uns geht es auch um den Blick auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die sind oft so in das Tagesgeschäft eingebunden und haben nur wenige Kapazitäten, sich intensiv mit der eigenen Transformation zu beschäftigen. Deshalb ist es mir wichtig, dass auch diese bei TeamMit mitgenommen werden.“

    Abschließend waren sich alle Anwesenden einig, dass es wichtig sei, möglichst viele Menschen in einzubinden. Über eine breite Basis und entsprechende Befähigungen und Qualifikationen sollten überdies neue Perspektiven für alle geschaffen werden. Dass in der gemeinsamen Anstrengung die Transformation in Mittelhessen positiv gestaltet werden könne, stand auch für Moderator Manuel Heinrich vom Regionalmanagement Mittelhessen außer Frage, als er den Abend mit der Ankündigung weiterer Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung schloss.

    Hintergrund "TeamMit"

    TeamMit ist das Transformationsnetzwerk der Automobilindustrie in Mittelhessen für strategisches Qualifizierungs- und Technologiemanagement – ein Bündnis aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Das Netzwerk wird von einem starken Konsortium getragen und vorangetrieben. Dazu gehören der Projektkoordinator Regionalmanagement Mittelhessen, das CompetenceCenter Duale Hochschulstudien – StudiumPlus e.V. (CCD), die TransMIT Gesellschaft für Technologietransfer mbH und die Philipps- Universität Marburg. Darüber hinaus unterstützen mehr als 50 regional ansässige Unternehmen, Organisationen und andere Akteure TeamMit. Das auf zweieinhalb Jahre angelegte Projekt TeamMit wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.

     


    » Weitere Informationen
    unter www.TeamMit.net 

     

     

     

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