Mobilität
Verkehrsplaner: Kirche könnte Vorreiter bei Verkehrswende werden
Auto: Petmal; Bahn: Natalia Darmoroz/gettyimagesNachhaltige Verkehrskonzepte26.06.2019 epd Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Die großen Kirchen könnten nach Überzeugung des Trierer Verkehrsplaners Heiner Monheim eine zentrale Rolle bei der notwendigen Verkehrswende spielen. Da Verkehrspolitiker sich ein Land mit weniger Autos nur schwer vorstellen könnten, müssten große Organisationen eine Vorreiterrolle übernehmen, regte er beim „Forum Kirche, Wirtschaft, Arbeitswelt“ der hessen-nassauischen Landeskirche (EKHN) in Mainz an. Dem Verkehrsexperten schwebt ein günstiges Netzticket für jedermann nach dem Vorbild der Semestertickets vor. Um den Systemwechsel zu beschleunigen, könnten die Kirchen ihren noch immer enormen Einfluss nutzen.
Große Arbeitgeber als Vorbilder im Bereich Mobilität
Dazu müssten sie mit der Bahn Sonderkonditionen für ein Kontingent von mehreren Millionen Bahncards 100 aushandeln und diese an ihre Mitarbeiter oder an alle Mitglieder verkaufen: „Wenn die Kirchen das vormachen, würden andere nachziehen.“ Die Semestertickets, deren Einführung Monheim in Nordrhein-Westfalen in den 1990er Jahren selbst mitorganisiert hatte, hätten das Mobilitätsverhalten von Studenten in dem Bundesland völlig verändert. Hätten vorher rund 40 Prozent ein eigenes Auto besessen, sei der Anteil später auf zehn Prozent gesunken.
„Konkrete Zahlen fehlen“
Monheim setzt sich seit langer Zeit für innovative Verkehrssysteme ein und berät Kommunen und Unternehmen bei Verkehrsprojekten. Bis heute gebe es in Deutschland keine belastbaren Zahlen über die tatsächlichen Kosten des Individualverkehrs, kritisierte er: „Wir kennen nur das Gejammere, dass wir uns keinen Öffentlichen Verkehr leisten können.“ Deutschland habe sich aus ideologischen Gründen bei innovativen Lösungen mittlerweile von vielen anderen Ländern überholen lassen, sagte der Geografie-Professor bei der Konferenz im landeskirchlichen Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung.
Vorbilder Frankreich und China
Vorbildlich sei beispielsweise das Engagement der Wirtschaftsunternehmen in Frankreich, wo alle Firmen mit mehr als neun Mitarbeitern eine Nahverkehrsabgabe zahlten. Mit diesem Geld seien in den vergangenen Jahren unter anderem in mehr als 40 französischen Städten vollkommen neue Straßenbahn-Netze aufgebaut worden. In der Volksrepublik China gebe es Milliarden-Investitionen in Schienenneubau, während in Deutschland mit dem einst dichtesten Schienennetz der Welt 6.000 Bahnhöfe stillgelegt worden seien.
Mancherorts seien auch in der Bundesrepublik inzwischen mutmachende Verkehrsprojekte umgesetzt worden. Zukunftsweisend sei beispielsweise Dresden, wo die „Cargo Tram“ Güterzüge auf dem Straßenbahnnetz einsetze. Auch die einst von Stilllegung bedrohte Usedomer Bäderbahn sei inzwischen ein Erfolgsmodell. Besonderheit des Zugbetriebs auf der Insel sei der völlige Verzicht auf Fahrkartenautomaten. Tickets würden von Schaffnern verkauft, was die Akzeptanz der Züge unter anderem bei Touristen enorm gesteigert habe.
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