Brief an Gemeinden
„Umdenken im Verhältnis zum Judentum“
Esther Stosch18.03.2016 vr Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Darmstadt, 18. März 2016. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung und der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Ulrich Oelschläger, haben gemeinsam an die Neubestimmung des Verhältnisses der evangelischen Kirche zum Judentum vor 25 Jahren erinnert. Damals entschied die Synode der EKHN, den Grundartikel der Kirchenordnung um die folgenden Sätze zu erweitern: „Aus Blindheit und Schuld zur Umkehr gerufen, bezeugt sie (die EKHN) neu die bleibende Erwählung der Juden und Gottes Bund mit ihnen. Das Bekenntnis zu Jesus Christus schließt dieses Zeugnis ein.“ Der Grundartikel der Kirchenordnung entspricht der Präambel des Grundgesetzes.
Gottes Bund bleibt
In einem Brief von Jung und Oelschläger, den hessen-nassauischen Gemeinden und Einrichtungen noch vor Ostern erhalten, bezeichnen sie die Entscheidung vom 3. Dezember 1991 als „Umdenken im Verhältnis zum Judentum“. Ausgehend von den Erfahrungen der Judenverfolgung und einem Schuldbekenntnis nach der Schoah sei das Verhältnis zum Judentum theologisch neu bestimmt worden. An die Stelle einer „vermeintlichen Überbietung des Judentums durch das Christentum“ sei die Erkenntnis getreten, „dass Gottes Bund mit seinem Volk Israel nicht durch das Christentum abgelöst worden ist“. Die evangelische Kirche habe in den zurückliegenden Jahrzehnten gelernt, dass das Bekenntnis „zum weiter bestehenden Bund Gottes mit Israel wesentlich zum christlichen Glauben gehört“. Seit 25 Jahren würde jede Pfarrerin und jeder Pfarrer in der EKHN bei der Einführung in den Dienst auf diese Sätze verpflichtet.
Nicht alle Probleme gelöst
Jung und Oelschläger gestehen jedoch in dem Schreiben auch ein, dass die „theologischen und praktischen Herausforderungen“ noch nicht alle gemeistert seien. So sitze „das Missverständnis vom ‚Gott des Gesetzes‘ im Alten Testament und dem ‚Gott der Liebe‘ im Neuen Testament auch bei vielen evangelischen Christinnen und Christen tief“. Viel zu wenig werde etwa bedacht, dass es der „Gott des Alten Testamentes“ ist, den Jesus Christus vertrauensvoll als „Vater“ anspricht.
Mit Judentum beschäftigen
Kirchenpräsident und Präses regen die Gemeinden nun an, „den unaufgebbaren Zusammenhang von Altem und Neuem Testament“ auch weiterhin in Gesprächen, Gottesdiensten, Bibelabenden, Glaubenskursen, im Unterricht oder bei anderen Gelegenheiten zu verdeutlichen. „Angesichts des in unserer Gesellschaft leider immer noch anzutreffenden Antisemitismus müssen wir uns alle immer wieder der Herausforderung stellen, unsere eigene Glaubenstradition kritisch auf antijüdische Vorstellungen zu befragen“, heißt es in dem Brief weiter.
Dialog vertiefen
Der Kirchenpräsident und der Präses hoffen, dass die Gemeinden den 25. Jahrestag der Grundartikelerweiterung nutzen, über das Verhältnis zwischen Christen und Juden weiter zu sprechen und den Dialog mit Jüdinnen und Juden zu vertiefen.
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