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    Gemeinde kämpft gegen Abschiebung

    Syrische Familie darf bleiben - vorerst

    Erika von BassewitzKita in Wirges

    Abschiebe-Drama im Westerwald: Eine Kirchengemeinde ist erschüttert über die geplante Abschiebung ihrer syrischen Nachbarn und kämpft - gegen die Ausländerbehörde und für das Bleiberecht der Familie.

    Es ist sechs Uhr morgens, als die Polizisten bei der Familie Dodo in Wirges vor der Tür stehen. Der Vater, die Mutter und die drei Kinder sollen abgeschoben und sofort mitgenommen werden. Die beiden Älteren sollten eigentlich wie jeden Tag auch zur Schule gehen, die Jüngste wird im evangelischen Kindergarten erwartet. Irgendwie gelingt es dem elfjährigen Schiar das Haus zu verlassen und wegzulaufen. Die Polizei sucht ihn mit Hubschrauber und Spürhunden.

    Verschollen, im Krankenhaus oder von der Polizei abgeführt

    „Die Mutter hatte einen Zusammenbruch, weil der Junge verschwunden war. Daraufhin kam die Mutter ins Krankenhaus, der Vater und die beiden anderen Kinder wurden von den Polizisten mitgenommen, “ erzählt die Kindergartenleiterin Marion Glaubitt. „Später am Tag wurde die Aktion vorerst abgebrochen, weil es hieß, dass die Familie nicht auseinander gerissen werden kann.“ Am frühen Abend wird Schiar in Wirges gefunden, er hatte sich den ganzen Tag versteckt.

    Am nächsten Tag fehlt Fidan, die jüngste Tochter, wieder im Kindergarten. „In der Zeitung stand, dass die Familie abgeschoben werden sollte. Und dann bin ich zum Herrn Dodo gegangen und habe gefragt, ob wir ihm helfen können“ berichtet Glaubitt. Sie informiert den örtlichen Pfarrer, Wilfried Steinke, und sammelt im Kindergarten Unterschriften gegen die geplante Abschiebung. „Die ganze Familie ist sehr nett, sehr hilfsbereit. Die Kinder sprechen gut deutsch und sind integriert, haben hier ihre Freunde. Das kann doch nicht sein, dass die jetzt nach Polen sollen, “ empört sich Glaubitt. Die Meinung scheinen viele zu teilen: Fünfzig Eltern und Mitarbeiter unterschreiben an einem Tag, 55 Eltern hat der Kindergarten insgesamt. Glaubitt schickt die Unterschriften an die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Irene Alt (Bündnis 90/Die Grünen) und bittet darum, sich für die Dodos einzusetzen, damit die Familie bleiben kann.

    Flüchtlinge aus Syrien haben die besten Chancen auf Asyl

    Nach Angaben des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben Menschen aus Syrien von allen Ausländern die besten Chancen, als Flüchtlinge anerkannt zu werden und Asyl zu erhalten. Im Februar 2013 lag die Gesamtschutzquote für syrische Flüchtlinge bei mehr als neunzig Prozent. Im Land herrscht Bürgerkrieg, die Flüchtlingslager in den Grenzregionen sind überfüllt. Laut den Vereinten Nationen wurden etwa 70. 000 Menschen in dem Konflikt getötet. 1,5 Millionen Menschen sind vor dem Krieg ins Ausland geflohen, die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich höher.

    Insofern gäbe es kaum eine Möglichkeit, die Familie abzuschieben, zumal der Bruder und die Eltern des Vaters in der Region leben. Der Bruder besitzt sogar die deutsche Staatsangehörigkeit, mit seinem BMW arbeitet er als Taxifahrer. 

    Ersteinreiseland: Polen oder Deutschland

    Seit 2003 aber müssen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, das sie als erstes betreten haben. Wenn also beispielsweise ein Afrikaner mit dem Schiff nach Sizilien gelangt, muss er in Italien bleiben und dort einen Antrag auf Asyl stellen. Der Familie Dodo wird vorgeworfen, dass sie schon einmal in Polen eingereist ist. Das ist allerdings mehrere Jahre her, zudem waren die Dodos danach noch einmal 13 Monate in Syrien. Damit ist Deutschland ihr Ersteinreiseland, wie es im Behördendeutsch heißt.

    Abschiebung ohne vorherige Information

    Die Ausländerbehörde im Westerwaldkreis aber ist anderer Meinung, sie hält Polen für das Ersteinreiseland. Also beschließt sie, die fünfköpfige Familie dorthin abzuschieben. Normalerweise sollen die Betroffenen wenigstens eine Woche vorher über die geplante Abschiebung informiert werden. Bei den Dodos kamen die Polizisten direkt persönlich vorbei, um die Familie mitzunehmen. Im beschaulichen Wirges spricht sich das schnell herum, man kennt sich in der 5000-Seelen-Gemeinde. Auch die Suche nach dem elfjährigen Schiar erregt Aufmerksamkeit.

    „Die Menschen hier wollten die Familie unterstützen, die haben mich angerufen und gefragt, wie sie helfen können, “ erinnert sich der Pfarrer Steinke. Auch er setzt sich für die syrischen Nachbarn ein, kontaktiert Peter Oldenbruch, den zuständigen Pfarrer für Flüchtlingsfragen der Landeskirche. Gemeinsam mit einem Anwalt überprüfen sie den Fall, schreiben Petitionen.  Schlimmstenfalls will Steinke der Familie Kirchenasyl gewähren – obwohl sie Muslime sind.

    „Das hat nichts damit zu tun, dass sie Nichtchristen sind, sondern einfach damit, dass sie Menschen sind, “ erklärt er. „Jesus gibt uns den Auftrag, uns für die Fremden einzusetzen. Wir haben als Kirche die Pflicht, für die Schwachen einzutreten.“

    Hilferuf der Kirchengemeinde erreicht Bundesministerium

    Doch so weit kommt es nicht. Die Integrationsministerin Alt soll sich persönlich beim BAMF dafür eingesetzt haben, dass die Dodos ihren Asylantrag in Deutschland stellen dürfen. Zudem kritisiert Alt in einem offenen Brief das Vorgehen der Behörden im Westerwaldkreis. „Es ist gut, dass die Ausländerbehörde des Westerwaldkreises bereits signalisiert hat, Vorkehrungen zu treffen, damit sich solche Versäumnisse nicht wiederholen, “ schreibt sie darin und fordert, Flüchtlinge immer mindestens eine Woche vorher über eine geplante Abschiebung zu informieren.

    Neue Hoffnung auf Asyl

    Für die Dodos heißt das aber nur, dass sie erst einmal so lange bleiben dürfen, bis über den Antrag entschieden ist. Gefreut haben sie sich trotzdem: „Die Frau Dodo hat mich in den Arm genommen, das ist ja eine andere Kultur, die Menschen sind sehr herzlich, die drücken sie, da kann auch mal eine Träne fließen“ erinnert sich Glaubitt, die Kindergartenleiterin. „Die waren sehr, sehr dankbar. Und sie versuchen uns in der Gemeinde und im Kindergarten zu helfen, wo sie nur können.“

    Flüchtlingsseelsorge in der EKHN

    In der EKHN gibt es vier Pfarrer, die auf die Probleme der Flüchtlinge spezialisiert sind. Sie helfen und unterstützen Ausländer, die in Deutschland Schutz und Zuflucht suchen.

    Oft werden diese in ihren Heimatländern verfolgt, sprechen wenig oder kein Deutsch und kennen ihre Rechte nicht. Asylsuchende und andere Menschen ohne Aufenthaltstitel unterliegen in Deutschland zahlreichen rechtlichen und sozialen Beschränkungen, die bei den Betroffenen oft zu Perspektivlosigkeit und Angst führen.

    Die Flüchtlingsseelsorge der EKHN hilft diesen Menschen durch persönliche Beratung in asyl- und ausländerrechtlichen Fragen und Begleitung bei Behördengängen. Sie berät und begleitet aber auch Kirchengemeinden, Dekanate, Propsteien und Ehrenamtliche, die sich für Flüchtlinge einsetzen wollen.

    Die Flüchtlingsseelsorger in der EKHN arbeiten an Orten, die für Flüchtlinge eine besondere Bedeutung haben: in der Nähe der Gießener Erstaufnahmeeinrichtung, in der Flüchtlingsunterkunft im Flughafen Frankfurt und im Abschiebungsgefängnis in Ingelheim.

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