Forum Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt legt Jahresbericht vor und zieht positive Bilanz - Verbindliche Standards auch in den Ländern notwendig
Seit sechs Jahren: Abschiebungen unter Beobachtung
15.05.2012 krebs Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
„Mit der Abschiebungsbeobachtung haben wir ein wirksames und unabhängiges System zur Beobachtung von Rückführungen auf dem Luftweg“, erklärt der Moderator und Sprecher des Forums, Pfarrer Andreas Lipsch. Die Zusammenarbeit im Forum, in dem die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände, die Bundespolizei, Flüchtlings- und Menschenrechtsinitiativen sowie der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen vertreten sind, sei für alle Beteiligten nicht immer einfach, verlaufe aber konstruktiv und vertrauensvoll. Die Abschiebungsbeobachtung schaffe Transparenz in einem ansonsten der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Bereich und wirke deeskalierend. „Darum sollten Abschiebungsbeobachtungen an allen großen Flughäfen in Deutschland eingerichtet werden“, betont Andreas Lipsch, der auch Interkultureller Beauftragter der Evangelischen Kirche und des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau ist.
Europäische Kommission: Deutsches Modell vorbildhaft
Bereits seit Ende 2010 sind die europäischen Länder durch die sogenannte Rückführungsrichtlinie der EU aufgefordert, ein „wirksames System für die Überwachung von Rückführungen“ einzurichten. Die Bundesrepublik Deutschland hat das bei der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie nicht berücksichtigt. Die Europäische Kommission hält die in Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg praktizierte Abschiebungsbeobachtung im Blick auf das in der Rückführungsrichtlinie geforderte Monitoring allerdings für vorbildhaft, berichtet Andreas Lipsch.
Das Forum Abschiebungsbeobachtung hat zum einen die Aufgabe zu beobachten, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird, und überwacht die humanitären Ansprüche. Außerdem versucht es, Verbesserungen in der Abschiebungspraxis zu erreichen und Transparenz im Gesamtverfahren herzustellen. Dabei stützt es sich auf die Berichte von zwei Abschiebungsbeobachterinnen, die sich im Rückführungsbereich des Flughafens frei bewegen können und täglich Abschiebungen beobachten.
Verbindliche Standards in den Ländern notwendig
Die Abschiebungsbeobachterinnen am Flughafen Frankfurt loben die gute Arbeitsatmosphäre: „Auch wenn es wegen des unterschiedlichen Auftrages von uns Abschiebungsbeobachterinnen und der Bundespolizei von Zeit zu Zeit zu Konflikten kommt, werden diese respektvoll und sachorientiert gelöst,“ so die Abschiebungsbeobachterin Diana Nuñez. Besonders erfreulich ist es, dass im Berichtszeitraum der Bundespolizei ein professionelles und gesetzeskonformes Handeln bescheinigt werden. Trotzdem gebe es immer wieder Probleme und menschliche Härten, die im jetzt veröffentlichten Jahresbericht 2010/2011 des Forums nachzulesen sind ( www.diakonie-hessen-nassau.de ). Menschen werden mitunter mittellos an den Flughafen gebracht und wissen nicht, wie sie vom Zielflughafen an ihren tatsächlichen Bestimmungsort kommen sollen; Krankheiten von Abzuschiebenden finden nicht immer genügend Beachtung; Familien werden bisweilen getrennt oder junge, integrierte Menschen werden abgeschoben. „In der Regel entstehen die Probleme im Vorfeld einer Abschiebung, also im Verantwortungsbereich der Länder“, berichtet Andreas Lipsch. Notwendig sei darum eine enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Innenministerien, um für alle verbindliche Standards zu etablieren. Für das Land Hessen nehme das Regierungspräsidium Darmstadt an den Sitzungen des Forums Teil, wenn hessische Fälle erörtert werden. Sehr erfreut zeigte sich Lipsch über die Ankündigung der Landesregierung in Rheinland-Pfalz, in Zukunft kontinuierlich im Forum Abschiebungsbeobachtung mitzuarbeiten.
Zunehmend problematisch: Die Überstellung in andere europäische Länder
Besonders fragwürdig erscheinen dem Forum die aufgrund der sogenannten Dublin II-Verordnung der EU vollzogenen Überstellungen in andere europäische Länder, für die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Zusammenarbeit mit den Ländern zuständig ist. Angesichts der Tatsache, dass Asylsuchende zum Beispiel in Italien schutzlos und ohne Unterstützung auf der Straße leben müssten oder, wie in Ungarn, regelmäßig inhaftiert würden, lösten gerade diese innereuropäischen Überstellungen große Ängste bei den Betroffenen aus. Wiederholt wurden Fälle beobachtet, wo gerade volljährig gewordene Jugendliche – auch aus Jugendhilfemaßnahmen heraus – nach Italien überstellt wurden. Außerdem würden Betroffenen die Überstellungsbescheide oft erst spät beziehungsweise am Flughafen ausgehändigt, so dass sie keine Rechtmittel gegen ihre Überstellung mehr einlegen könnten. Hier sieht das Forum dringenden Handlungsbedarf.
Bundespolizei sieht positive Fortentwicklung des Forums Abschiebungsbeobachtung
Die Bundespolizei begrüßt den sachorientierten Dialog in diesem für alle Beteiligten oft belastenden Arbeitsfeld. Der Präsident der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt a. Main, Wolfgang Wurm, sieht durch die Bewertung des Forums die etablierten Prozesse ebenso, wie das sozial kompetente Auftreten der eingesetzten Polizeikräfte bestätigt.
Die aufmerksame Präsenz der Abschiebungsbeobachterinnen schaffe Transparenz. In den vergangenen Jahren trugen deren Impulse zu einer fortschreitenden Optimierung des Abschiebungsverfahrens bei. Die Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt am Main habe sich als erfolgreiches Instrument etabliert.
Kontaktadresse
Pfarrer Andreas Lipsch
Moderator und Sprecher des Forums Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt/Main
Interkultureller Beauftragter der Evangelischen Kirche und des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau
Tel.: 069 7947226
Verantwortlich: gez. Pfarrer Stephan Krebs, Pressesprecher