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    Styling mit Herz

    Shopping: Griff zu fairer Mode unterstützt Näherinnen in Indien

    FairbiolousFaire Mode - mehr als ein Rausch aus Farben, Mustern und Schnitten

    Der Blick fällt auf das schicke Oberteil. Bevor es zur Kasse geht, lohnt es sich, eine Minute inne zu halten. Denn an vielen Kleidern klebt unsichtbares Blut. Bei der Herstellung geht es um Ausbeutung und Umweltverschmutzung. Doch es gibt stylishe und faire Alternativen.

    FairbiolousDer Mainzer Oliver Mayer ist stolz auf die fair produzierten T-Shirts seines Labels

    Alles beginnt mit Birkenblättern in einem Kochtopf. Mit seinem besten Kumpel kocht der Mainzer Oliver Mayer daraus einen Sud. In die gelbliche Flüssigkeit legen die beiden Freunde T-Shirts, um sie zu färben. „Das Ergebnis war auch gar nicht so schlecht“, sagt Mayer. „Nur: nach dem Waschen waren die T-Shirts wieder weiß.“ Aber ein erster Schritt war gemacht. Heute hat er sein Geschäft professionalisiert und auf die Farbqualität können sich die Kundinnen und Kunden verlassen. Seit 2012 betreibt Oliver Mayer das faire Modelabel „Fairbiolous“.

    Faire Kleidung ist teurer

    Seine T-Shirts werden in Kalkutta unter fairen Arbeitsbedingungen produziert. Dafür muss das kleine Label aus Mainz mehr Geld investieren, als es die meisten Großkonzerne tun: „Unsere Grundkosten für ein T-Shirt liegen im zweistelligen Bereich“, sagt Mayer, der im Hauptberuf Journalist ist, „wenn man sich ein Shirt aus Bangladesch oder China bestellen will, dann geht das ohne Probleme für 1,50 Euro pro Stück.“

    Diese günstigen Kleidungsstücke sind aber unter fragwürdigen Bedingungen hergestellt, kommen für Fairbiolous also nicht in Frage. Die fairen Löhne und Arbeitsverhältnisse in deren Fabrik in Kalkutta garantiert die Kontrolle durch Transfair. Der Verein macht sich vor Ort ein Bild und zeichnet qualifizierte Nähfirmen aus.

    Zeitungsartikel gab den Anstoß für das faire Engagement

    In einem Zeitungsartikel erfuhr Oliver Mayer von den schlechten Bedingungen für Arbeiter in Entwicklungsländern. Von da an wusste er: „Ich muss etwas ändern und helfen“. Doch das Geschäft mit fair gehandelter Kleidung ist hart: Von den 800 im Jahr 2012 bestellten T-Shirts hat Mayer noch lange nicht alle verkauft. „Es ist einfach schwer, sich im Modemarkt eine Marke aufzubauen. Hätte ich gewusst, was da auf mich zukommt, hätte ich es mir vielleicht noch einmal überlegt.“

    Ökologische Kleidung ist wenig bekannt

    Fragt man Menschen auf der Straße, wo sie ihre Kleidung kaufen, fallen meistens die Namen großer Marken wie H&M, C&A, Kik. Die wenigsten wissen, ob sie dort oder in welchen anderen Läden sie fair gehandelte oder ökologische Kleider kaufen können -  oder dass es so etwas überhaupt gibt. Mayer kennt das Problem: „Es ist einfach schwer bekannt zu werden, man muss viel auf Messen fahren, bei Einzelhändlern anklopfen, ins Bewusstsein der Leute kommen.“

    Näherinnen verdienen oft nur einen Euro pro Tag

    Das Problem mit den Kleidern, die wir für gewöhnlich tragen: So oft wir sie auch waschen, ethisch sauber wird ihre Herstellung dadurch nicht. Allein die konventionelle Produktion von Baumwoll-Kleidung verwendet enorme Mengen an Wasser. Für den Anbau von einem Kilo Baumwolle werden 15 000 Liter Wasser verbraucht. Aber nicht nur vom ökologischen Standpunkt aus ist der Kauf bei Textildiscountern ethisch bedenklich. Denn Näherinnen in Entwicklungsländern verdienen für ihre Arbeit zwischen 30 und 50 Euro im Monat. Viele dieser Frauen haben pro Tag nur einen Euro zum Leben. Damit können sie ihren Lebensunterhalt kaum bestreiten. Menschen wie Oliver Mayer lassen ökologisch und fair produzieren, um die Umwelt zu schützen und diesen Näherinnen zu helfen.

    Faire Löhne ermöglichen den Ausstieg aus der Prostitution

    Als eine der wenigen Modeunternehmen hat die Ökomodefirma „Hessnatur“ gute Ergebnisse bei Stiftung Warentest 2010 erreicht. Doch es gründen sich weitere Unternehmen, die Fairness zum Trend erklären. Helfen wollen auch Nathalie und Simon Schaller aus Stuttgart. Mit ihrem Modelabel „Glimpse“ haben sie vor kurzem die erste Kollektion herausgebracht. Auch sie lassen in Indien produzieren, achten auf faire Löhne.
    Nathalie und Simon Schaller geben den jungen Frauen, die für Glimpse nähen, aber noch mehr: Sie garantieren ihnen ein Leben ohne Freier. Die Näherinnen von Glimpse haben alle eine gemeinsame Vergangenheit. Sie wurden zur Prostitution gezwungen, meistens als sie zwischen sechs und zehn Jahre alt waren.

    „Kinder, die in Bordellen eingesperrt werden“

    „Das sind Kinder, die in Bordellen eingesperrt werden“, sagt Nathalie Schaller im Interview mit dem evangelischen Medienhaus in Stuttgart, „Kinder, die ausgehungert und unter Drogen gesetzt werden, nur um ihren Willen zu brechen.“ Die Näherinnen von Glimpse sind früher teilweise bis zu 50 Mal am Tag vergewaltigt worden.

    Mit Nächstenliebe gegen Ausbeutung kämpfen

    Heute fertigen fünfzehn Frauen die Kleider für das Stuttgarter Label. Sie wurden von Hilfsorganisationen und der Polizei aus der Zwangsprostitution befreit. Bei Glimpse bekommen sie genug Geld zum Leben, eine Ausbildung und eine neue Perspektive. Ohne diese Chance würden viele von ihnen wieder in der Prostitution landen. „Wir geben ihnen zum ersten Mal die Wertschätzung als Mensch“, sagt Simon Schaller. Love Sells ist das Motto von Glimpse und damit stellen sich die Stuttgarter bewusst gegen die gängige Werbepraxis von Sex Sells. Die Christen Nathalie und Simon Schaller bringen ihren Näherinnen Liebe entgegen. Nächstenliebe.

    Faire Arbeit hat ihren Preis

    Doch diese Liebe hat ihren Preis. Ein Hemd kostet bei Glimpse 109 Euro, bei H&M dagegen 14,95 Euro. Wir müssen also viel Geld haben, um Menschen nicht auszubeuten. „Leider“, seufzt Fairbiolous-Geschäftsführer Mayer, „aber wir können und wollen auch gar nicht mit den Billigmarken konkurrieren.“ Eine Mütze für 5 Euro sei auf jeden Fall unter fragwürdigen Bedingungen hergestellt, so Mayer. „Da kannst du deine Arbeiter ja gar nicht vernünftig bezahlen.“

    Woran erkennt man faire Kleidung?

    Ein weiteres Problem für den Kunden ist auch: Fair heißt nicht immer gleich fair. Es gibt verschiedene Nachhaltigkeitsstandards in der Bekleidungsindustrie,  jedoch deckt keines dieser Zertifikate alle notwendigen Aspekte ab. Um sicher zu sein, dass die Kleider sozial verträglich und ökologisch hergestellt werden, muss ein Modelabel einen Mix aus mehreren Zertifikaten aufweisen. Eine für den Kunden nicht immer durchsichtige Praxis.
    Die wichtigsten Nachhaltigkeitsstandards hat das Fair Fashion Netzwerk Getchanged aufgelistet.

    Wem das zu kompliziert oder zu teuer ist, der muss nicht unbedingt neue ökologische Kleidung tragen. Denn wer zum Beispiel Second Hand kauft, tut auch etwas für die Umwelt. Das Hamburger Label „Redesign“ “ hat sich auf Recycling-Mode spezialisiert. Ihre Stoffe beziehen die Designer vom Wertstoffhof oder von Flohmärkten. So werden aus Vorhängen, Tischdecken und Bettwäsche Hosen, Hemden und Kleider.

    Der Kampf um den Tiefpreis führt zu Verlusten bei Mensch und Tier

    Im Kampf um den Tiefpreis lassen sowohl Menschen also auch Tiere ihr Leben. Für ein Kilo Seide werden beispielsweise 3000 Raupen getötet. Seide wird aus dem Kokon der Seidenraupe gewonnen. Die Raupe wird dabei im kochenden Wasserbad getötet, weil sie sonst als entwickelter Schmetterling den Kokon beim Schlüpfen zerbeißen würde.

    Schöpfungskraft hilft

    Der indische Modedesigner Chandra Prakash Jha versucht Seide durch ein schonendes Verfahren zu produzieren. Er gibt der Raupe ein Schlupfloch und wartet bis sie den Kokon als Schmetterling verlässt. Die drei C in Prakashs Hagener Label Cocccon stehen für creativity can care, zu Deutsch: Schöpfungskraft hilft. Und helfen will der Absolvent des National Institute of Fashion Technology in Neu-Delhi.

    Nachhaltige Seidenzüchter müssen nicht weniger verdienen

    Er züchtet seine Seidenraupen im indischen Bundesstaat Jharkhand und klärt die Bauern auf, wie viel Geld sie für ihre Seide verlangen können. Viele der Züchter kennen nämlich den Wert des Rohstoffes nicht, so Prakash. Cocccon bezieht deshalb Dorfgemeinschaften in die Produktion von Seide ein. Auf diese Weise lernen die indischen Züchter, wie sie einerseits genug verdienen und wie sie andererseits biologisch Seide erzeugen können.

    Hauptsache billig

    So viel Glück wie die Seidenraupenzüchter aus Jharkhand haben leider nicht alle an der Modeproduktion beteiligten Menschen in Indien. Oliver Mayer kennt das, wenn wieder einmal ein Aufschrei durch Deutschland geht, weil eine Fabrik in Bangladesch oder Indien eingestürzt oder abgebrannt ist. Dann hört er Sprüche wie: „Wie das läuft, das können wir ja nicht verantworten.“ Oder: „Ach Gott, die Arbeitsbedingungen sind ja so schlimm da.“ Das dauere zwei oder drei Tage, sagt der Mainzer. Und dann heiße es wieder: „Wo bekomme ich möglichst günstig meine Sachen her?“

    Käufer bestimmen die Produktionsbedingungen

    Oliver Mayer fragt sich das nicht mehr. Er hat gehandelt, seinen besten Kumpel geschnappt, experimentiert und sein eigenes faires Mode-Label gegründet. Er, der als angehender Redakteur momentan nicht viel Budget zur Verfügung hat, er sorgt dafür, dass Näherinnen in Indien genug Geld zum Leben haben.
    Was aber machen diejenigen, die viel Geld haben? Was machen die großen Modehäuser? „Die stellen sich ja schon gerne so da, als wären sie in der Richtung sehr aktiv.“, sagt Mayer, „Mit irgendwelchen Conscious Collections oder Green Fashion. Aber so richtig nachweisen können sie ihr Engagement oft nicht. Die meisten sind nicht zertifiziert.“ Nach einer Pause sagt er: „Aber die Leute die kaufen es. Noch.“

     

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