Ausstellung im Gemeindezentrum Auerbach
Reformation und die Wurzeln Europas
bbiew30.01.2017 bbiew Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
bbiewDr. Walter Fleischmann-Bisten: "Die Reformation war ein europäisches Ereignis."Die Reformation war kein rein deutsches Ereignis, auch wenn entscheidende Impulse von Deutschland ausgingen. Eine europäische Perspektive für die reformatorische Bewegung habe insbesondere Landgraf Philipp von Hessen entwickelt, betont der Theologe Dr. Walter Fleischmann-Bisten, der von 2007 bis 2015 das Konfessionskundliche Institut in Bensheim leitete. „Nach seiner Begegnung mit Philipp Melanchton an einem nicht näher bezeichneten Ort südlich von Frankfurt war der Landgraf Feuer und Flamme für die Reformation. Er agierte als ‚european player', wollte gemeinsam mit Verbündeten in Europa die Macht des Papstes begrenzen und den Kirchenstaat auflösen.“ Philipp von Hessen entwickelte zudem ein ambitioniertes europäisches Friedenskonzept, das allerdings nicht umgesetzt wurde.
Reformaton in einer Zeit großer Verunsicherung
Auf seine Initiative – auch das macht die Ausstellung anschaulich - trafen sich die führenden Vertreter der reformatorischen Bewegungen in Europa 1529 zum Marburger Religionsgespräch. Philipps Ziel: „eine Mittelstraße zwischen den Lutherischen und den Zwinglischen“ zu finden. Es war das erste und einzige Aufeinandertreffen von Luther und Zwingli. Die erhoffte Einigung in der Abendmahlsfrage scheiterte.
Allen reformatorischen Bewegungen in Europa war gemeinsam, dass sie die Bibel zur Richtschnur machten und sie in jeweilige Landessprache übersetzten. Ihr Grundsatz, dass der Mensch nicht durch gute Werke, sondern allein durch den Glauben gerechtfertigt sei, fiel in eine Zeit der großen Verunsicherung, betont Fleischmann-Bisten. „Es gab Missernten durch die so genannte kleine Eiszeit, Epidemien breiteten sich aus, in Wittenberg wütete die Pest und die militärische Belagerung von Wien durch osmanische Truppen wurde als große Bedrohung empfunden. Indem die Reformation die Glaubensfrage in den Mittelpunkt stellte, spendete sie Trost und verbreitete Zuversicht.“ Möglicherweise auch ein Mittel gegen die große Verunsicherung heute, so Fleischmann-Bisten.
Reformation und die Vielfalt Europas
Die Reformation habe entscheidend zur Entwicklung des modernen Europas beigetragen, erläutert der Bensheimer Pfarrer Dr. Christoph Bergner. „Nicht mehr die Kirche vermittelt das Heil, sondern der einzelne Mensch ist von Gott berufen und ihm verantwortlich. Das ist eine der Wurzeln des modernen Europas: Der Mensch, der sich von Gott begnadigt weiß, lebt in Freiheit und Würde. Wer die Geschichte Europas erzählen will, der wird auch diese Geschichte evangelischer Freiheit erzählen müssen.“
Mit dem Protestantismus sei zudem religiöse Pluralität verbunden mit unterschiedlichen und eigenständigen evangelischen Kirchen. „Pluralität wird nicht nur als Mangel an Einheit empfunden, sondern auch als Bereicherung und Eigenart. Ohne die religiöse, institutionalisierte Pluralität kirchlichen Lebens hätte sich nicht die Pluralität Europas entwickelt“, meint Pfarrer Bergner. Er spricht sich dafür aus, dass sich evangelische Christen in Europa gegenseitig unterstützen und gemeinsam die diakonische Verantwortung verstärkt wahrnehmen. „Die Gründung einer europäischen Synode sollte erwogen werden.“
Die Ausstellung „Luther und Europa“ im Evangelischen Gemeindezentrum Bensheim-Auerbach (Bachgasse 39) ist mit Ausnahme des Mittwochs werktags geöffnet von 9 bis 12 Uhr und Donnerstag zusätzlich von 16 bis 18 Uhr oder nach Vereinbarung. Tel: 06251-71184. Der Eintritt ist frei.