Kirchentag in Hamburg
Kein Raum für Stille beim Markt der Möglichkeiten
Esther Stosch03.05.2013 sto Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Esther StoschKirchenglocken läuten, Laster rollen über Kopfsteinpflaster, Flugzeuge düsen vorbei und ratternde Bahnen erfüllen den Raum. Nur langsam senkt sich die Geräuschkulisse von 80 Dezibel wieder. Die Jugendlichen sehen sich an und treten zurück in die Messehalle auf den Markt der Möglichkeiten. Auf dem Kirchentag haben sie, vielleicht das erste Mal, ihren täglichen Lärm bewusst wahrgenommen. „Am heftigsten war der Verkehrs-Lärm“, sagt Emilia Hönsch. Sie wohnt in München an einer belebten Straße und hat die vorbeifahrenden Autos, Laster und Busse noch nie bewusst erlebt.
Dabei sind die Geräusche in der Lärm-Box nicht verstärkt, sondern digital leiser gedreht worden. Die Initiativen gegen Verkehrslärm, unter anderem aus dem Rhein-Main-Gebiet, haben den Raum eigens für den Kirchentag gebaut. In einer schalldichten Holz-Kiste läuft ein Film mit Fluglärm aus Eddersheim, Bahnlärm aus dem Mainzer Umland und Straßen-Geräuschen von der Hauptverkehrsstraße der Mainzer Innenstadt.
Tour durch lärmarme Gebiete Hessen
Auf die Idee der Lärm-Box kam Bettina Appelt vom Verein für lebenswertes Mainz und Rheinhessen beim Sommer-Urlaub in Sizilien. Bei dieser Reise fielen ihr offene große Kästen auf, in denen Bilder und Geräusche zusammen wirken. „In einem hing das Bild von Poseidon zusammen mit Meeresrauschen.“ Die Einfall der Mainzerin: Statt beruhigend idyllischer Kulisse soll klar werden, welche Geräuschkulisse Menschen in verkehrsreicher Umgebung jeden Tag ertragen. „Wir wollen den Lärm zu denen bringen, die ihn sonst nicht ertragen müssen“, sagt sie.
Dass ruhige Wohnorte schnell laut werden können, zeige etwa der Ausbau des Frankfurter Flughafens. Appelt berichtet, dass viel mehr Menschen betroffen sind. „Sie ertragen den Lärm, aber trauen sich nichts zu sagen“, resümiert die Mainzerin. Daher fordert sie von der Politik neue Gesetze, denn „Lärm schadet Körper, Seele und Geist.“ Nach dem Kirchentag soll die Lärm-Box auf einer Roadshow durch lärmarme Gebiete von Hessen touren.
Die Jugendlichen aus München finden, dass die Lärm-Box eher etwas für diejenigen ist, die auf dem Land leben. Doch kurz nachdem sie aus der Kiste steigen, sind sie bedrückt. „Ich habe für einen kurzen Moment vergessen, dass wir auf dem Kirchentag sind“, sagt Sandra Niedermöller. Doch eine ständige Geräuschkulisse gehört zu ihrem Alltag. Schnell blenden sie das Stimmengewirr auf dem Markt der Möglichkeiten wieder aus und suchen die nächste Attraktion des Kirchentages.