Reformationsjubiläum 2017

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    Lust auf Gemeinde

    Käßmann: „Wir sind Papst ist feine evangelische Theologie“

    EKHN/RahnMagot Käßmann mit Martin Luther als Playmobil-FigurMagot Käßmann mit Martin Luther als Playmobil-Figur

    Margot Käßmann, die Botschafterin für das Reformationsjubiläum, wirbt beim evangelischen Ideenkongress in Gießen dafür, die Feierlichkeiten als Chance für die Gemeindearbeit zu begreifen: Die Reformation war ein Vorbild für die Arbeit mit Familien und bei der Betonung der Freiheitsidee.

    EKHN/RahnMargot Käßmann auf der Ideenmesse 2015Margot Käßmann auf der Ideenmesse 2015

    Gießen, 10. Oktober 2015. Als „historische Chance“ für den Protestantismus, sich in der Öffentlichkeit deutlicher zu positionieren, hat die evangelische Theologin Margot Käßmann die bevorstehenden Feierlichkeiten zu 500 Jahren Reformation am Samstag in Gießen bezeichnet. Das Jubiläum im Jahr 2017 könne dazu beitragen, „sich auf die eigene Identität zu besinnen“ aber auch in einer Welt mit vielen Religionen „von unserem Glauben zu reden“, erklärte die Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum vor rund 2.400 Teilnehmenden beim vierten „Ideenkongress“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN)

    Glaube als Handgepäck fürs Leben

    Für die Arbeit in den einzelnen Kirchengemeinden könne die Reformation zudem wichtige Impulse geben, sagte die frühere hannoversche Landesbischöfin laut Redemanuskript. Als Beispiel nannte sie etwa eine Verstärkung der Arbeit mit Familien, die schon der Reformator Martin Luther praktiziert habe. So könne Kindern mit dem Glauben ein „Handgepäck fürs Leben“ mitgegeben werden. Sie habe die Hoffnung, dass sie sich dann „auch langfristig in unserer Kirche beheimaten“. Käßmann plädierte auch für eine Besinnung auf die Basis der evangelischen Kirche. Der Protestantismus sei nicht durch Amtsträger bestimmt, sondern durch die Einsicht „wir sind Kirche“. Die Partizipation „auf allen Ebenen und in allen Ämtern ist explizit evangelisch“, sagte sie. Nach Käßmann enthielt die bekannte Schlagzeile der Boulevardzeitung „Bild“ von 2006 nach der Wahl des aus Deutschland stammenden katholischen Oberhauptes Benedikt XVI. „Wir sind Papst“ nichts anderes als „feinste lutherische Theologie“.

    Lange Lerngeschichte mit anderen Religionen

    Käßmann wies auch auf das lange Zeit schwierige Verhältnis des Christentums zum Judentum hin. Schriften des alternden Reformators Martin Luthers gegen die Juden hätten immer wieder „der Rechtfertigung für Diskriminierung, Ausgrenzung und Mord“ gedient. Es sei „eine lange und bittere Lerngeschichte für die evangelische Kirche“ gewesen, diese Ansichten zu überwinden. Heute sage die evangelische Kirche, „wer Juden angreift, greift uns an“. Eine solche Lerngeschichte sei auch für das Verhältnis zu anderen Religionen wie dem Islam wichtig. Habe Luther noch „wider die Türken gewettert, so leben wir heute gemeinsam in einem Land.“ Gleichzeitig seien Christen in aller Welt die am meisten verfolgte Religionsgemeinschaft. Käßmann: „Wir brauchen einen Dialog und er muss theologisch gegründet sein.“

    Freiheit ist wichtiger evangelischer Impuls

    Als wichtigen Impuls der Reformation sah Käßmann in Gießen den Freiheitsgedanken. Luthers Idee von der  „Freiheit des Christenmenschen“ hätten in der Weiterentwicklung zu mancher Freiheit heute geführt. „Wir können als zentrale Leistung der Reformation sehen, dass Glaube und Vernunft beieinander bleiben und auch den Weg zur Aufklärung vorbereitet haben“, erklärte Käßmann. Eine Art „Gottesstaat“ oder auch „Diktat der Religion“ stünden gegen diese Einsicht. Das habe auch politische Konsequenzen. Nach der Erfahrung des Versagens der Kirche und auch ihrer Verführbarkeit in der Zeit des Nationalsozialismus sei klar geworden: „Evangelischsein muss auch Widerständigkeit einschließen“. Vor 26 Jahren hätten gerade die evangelischen Kirchen durch ihr Freiheitsverständnis in der DDR einen wichtigen Beitrag zum Fall der Mauer geleistet. Den Vorwurf an die evangelische Kirche, sie sei zu politisch, bezeichnete sie als „abstrus“. Käßmann: „Wer das Evangelium liest, kann nicht unpolitisch sein.“

    Hintergrund Ideenmesse

    Rund 2.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Regionen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hatten sich am Samstag zu einer Ideenmesse in Gießen getroffen. Zum vierten Mal seit 2007 präsentierten sich Gemeinden und kirchliche Einrichtungen den Kirchenvorständen, haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden und der interessierten Öffentlichkeit mit einer solchen  Großveranstaltung unter dem Motto „Lust auf Gemeinde“. An über 130 Ständen konnten sich Interessierte aus mindestens 300 Gemeinden beispielsweise Anregungen für die Jugendarbeit mit Flüchtlingen, Hinweise zum Umgang mit Demenzkranken oder auch Tipps zum Aufbau eines digitalen Adventskalenders im Internet geben lassen. Daneben wurden Informationsveranstaltungen und Workshops für die Besucherinnen und Besucher angeboten. Eines der Hauptziele der Messe war es, gute Praxisbeispiele auszutauschen und eine engere Vernetzung der Arbeit in den Kirchengemeinden zu fördern. Veranstalter sind die Kirchenleitung der EKHN und das Netzwerk „Lust auf Gemeinde“.

    Internet: www.lustaufgemeinde.de

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