Sprachen am Flughafen
„Pfingsten ist hier jeden Tag“
istockphoto, MACIEJ NOSKOWSKIFlughafen - auch ein Ort der Begegnung12.05.2016 red Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Lea BiskupPfarrerin Anke Leuthold arbeitet in der Flüchtlingsunterkunft am Flughafen Frankfurt und in der evangelischen Flüchtlingsseelsorge in der EKHN, FrankfurtBis zu 105 Flüchtlinge können in der Flüchtlingsunterkunft am Frankfurter Flughafen unterkommen. Wenn so viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern und mit verschiedenen Muttersprachen aufeinander treffen, ist es nicht immer leicht, sich zu verständigen. „Trotzdem funktioniert es irgendwie, notfalls über die Körpersprache und mit Händen und Füßen. Wir können wirklich sagen, Pfingsten ist hier jeden Tag, weil wir es jeden Tag aufs Neue schaffen, uns miteinander zu verständigen und uns gegenseitig zu helfen“, erzählt Pfarrerin Anke Leuthold. Sie arbeitet in der Flüchtlingsunterkunft am Flughafen Frankfurt und in der evangelischen Flüchtlingsseelsorge in der EKHN, Frankfurt
In der Flüchtlingsunterkunft am Frankfurter Flughafen werden Flüchtlinge untergebracht, die über den Luftraum hierher nach Deutschland kommen und keine gültigen Papiere haben oder aus anderen Gründen nicht einreisen dürfen. Hier bleiben sie, bis ihr Asylantrag bearbeitet worden ist. Wie lange das dauert, ist unterschiedlich. Der Zeitraum variiert von einer Woche bis zu drei Monaten. Die Gemeinschaft und der Glaube an Gott geben den Flüchtlingen in der Zeit des Wartens Hoffnung, ähnlich wie bei den Jüngern Jesu an Pfingsten. „Die Gemeinschaft, der Gottesdienst und die gemeinsame Kommunikation sind für die Leute hier besonders wichtig; auch für uns“, erklärt Pfarrerin Anke Leuthold.
Übersetzungshilfe von der Elfenbeinküste
In der Flüchtlingsunterkunft gibt es einen kleinen Gebetsraum, der auch für die Gottesdienste genutzt wird. Ein kleiner Altar steht darin und mehrere Holzhocker, auf denen die Leute sitzen können. Der Gottesdienst letzte Woche mit acht Flüchtlingen war ein besonderes Erlebnis für Leuthold. Unter den Männern waren ein Ägypter, zwei Kongolesen, ein Kameruner, drei Tamilen und ein Mann von der Elfenbeinküste. „Die eine Hälfte konnte Englisch verstehen, die andere Hälfte Französisch, aber auch nicht perfekt. Ich selbst spreche auch nur ein bisschen französisch. Glücklicherweise half mir der Mann von der Elfenbeinküste bei der Übersetzung“, erklärt Leuthold. Sie hielt den Gottesdienst auf Englisch, der Mann übersetzte Leutholds Worte ins Französische. „Mich berührte besonders, dass der Mann kein Christ war, sondern Moslem. Er erklärte uns, dass er aus Respekt vor seinen Mitmenschen bei dem Gottesdienst anwesend war, denn Religion sei für alle da.“
Kniefall für die ersehnten Worte
Im Laufe des Gottesdienstes kam der Sicherheitsdienst in den Raum und teilte dem Mann von der Elfenbeinküste auf Deutsch mit, dass er in Deutschland bleiben dürfe. „Er hat es erst nicht verstanden, also habe ich es ihm auf französisch übersetzt. Aus Dankbarkeit fiel der Mann auf die Knie und küsste den Boden“, erinnert sich Leuthold. Gleichzeitig äußerte der Mann, dass er traurig sei, die Gemeinschaft zu verlassen und alleine nach Gießen in die Erstaufnahmeeinrichtung zu gehen. Denn die Leute hier seien wir eine Familie für ihn. Für Leuthold sind gerade diese Gestern unter den Flüchtlingen etwas ganz besonderes. „Hier findet Kommunikation nicht nur über die Sprache, sondern auch über gegenseitigen Respekt und das gemeinsame Miteinander statt. Wir haben dann während dem Gottesdienst gemeinsam ein Dankesgebet für den Mann gesprochen“, erzählt Leuthold.
Es geht auch ohne Worte
Auch der Sicherheitsdienst in der Flüchtlingsunterkunft am Frankfurter Flughafen erlebt immer wieder, wie die Kommunikation ohne gemeinsame Sprache funktioniert. Christopher Meadows, Leiter des Sicherheitsdienstes, hat ein eigenes Ritual, wenn er den Leuten im Gebäude Mut zusprechen möchte. Er legt die Hände vor seinem Brustkorb aneinander und deutet dann mit einem Finger nach oben. „Die Leute wissen, was er ihnen damit sagen möchte, auch ganz ohne Worte“, erzählt Leuthold.
Eine ähnliche Situation hat auch Sabrina Müller erlebt. Sie arbeitet ebenfalls beim Sicherheitsdienst in der Flüchtlingsunterkunft. Eine geflüchtete Frau hatte jeden Kontaktversuch von Müller abblitzen lassen. Als die Frau in ihrem Zimmer kollabierte, kam Müller dazu, hielt ihre Hand und redete der Frau gut zu. „Frau Müller redet immer deutsch mit den Flüchtlingen. Interessanterweise verstehen diese das auch irgendwie“, erklärt Leuthold. „Wenn sie deutsch spricht, fühlt sie sich sicher und das drückt sich auch in ihrer Körpersprache aus. Diese Sicherheit überträgt sich auch auf die anderen. Das haben wir immer wieder gemerkt.“
Den Geist im Gesang erfahren
Oft singt Leuthold mit den Flüchtlingen gemeinsam im Gottesdienst auf Englisch, Französisch oder in einer der Muttersprachen der Geflüchteten. Das gemeinsame Singen verbindet und stärkt die Gemeinschaft untereinander, auch wenn nicht alle den Text verstehen. Hin und wieder bietet sie an, dass jemand ein eigenes Lied aus seinem Herkunftsland singen kann. Ein Mann aus einem afrikanischen Land stand dann von seinem Hocker im Gebetsraum auf und stellte sich hin. „Er begann ein Lied auf seiner Muttersprache zu singen. Wir konnten seine Sprache zwar nicht verstehen, aber die Stärke dieses Mannes breitete sich im gesamten Raum aus. Wir konnten diesen Geist alle spüren und die Kombination aus seiner Muttersprache und der Melodie, löste eine unglaubliche Energie und Kraft bei uns allen aus“, erinnert sich Leuthold.
Der Heilige Geist stiftet Gemeinschaft
Für Leuthold und die Spezialvikarin Evelin Talmon ist der Heilige Geist gerade in solchen Situationen erkennbar. „Wenn man von der biblischen Bedeutung des Heiligen Geistes ausgeht, ist es seine Aufgabe, Gemeinschaft zu stiften. Und diese Bedeutung spüren wir hier in der Flüchtlingsunterkunft am Flughafen ganz zentral“, erklärt Talmon. Die Menschen stützen sich gegenseitig und kümmern sich umeinander, egal woher sie kommen oder was sie erlebt haben. Die Verständigung über eine gemeinsame Sprache hinweg ist besonders wichtig für Leuthold und Talmon.
Trotzdem ist jeder Tag eine neue Herausforderung, sowohl für die Angestellten als auch für die Flüchtlinge. Oft fühlen sich die Flüchtlinge wie im Gefängnis, denn sie dürfen die Unterkunft nicht verlassen. Fenster gibt es nur zu dem kleinen Innenhof hin, in dem sich ein paar Bänke und ein Basketballkorb befinden. „Dadurch entsteht oft ein Ohnmachtsgefühl bei den Flüchtlingen und sie werden lethargisch. Einige von ihnen finden aber auch Rückhalt, Kraft und Durchhaltevermögen in ihrem Glauben. Das beeindruckt uns immer wieder“, erzählt Talmon. „Wir spüren hier immer wieder aufs Neue, wie der Heilige Geist der Gemeinschaft hilft. Natürlich ist es unglaublich schwer hier zu arbeiten, weil man nie weiß, ob die Leute von letzter Woche oder gestern noch hier sind. Vielleicht wurden sie schon zurückgeschickt in ihr Herkunftsland oder durften einreisen. Trotzdem kann ich mir kaum einen anderen Ort vorstellen, in dem dieses Gemeinschaftsgefühl durch den heiligen Geist so stark ist wie bei uns“, so Leuthold.
[Lea Biskup]