Treffen mit Waldenser-Professor in Rom
EKHN-Partnerkirche: Papst bat Waldenser um Verzeihung
istockillustration, ZU_09Der Kaufmann Petrus Valdes setzte erste reformatorische Ideen bereits im Mittelalter um und war als religiöser Laie und Wanderprediger in Südfrankreich unterwegs; zudem hatte er einen Priester beauftragt, die Bibel in die regionale Sprache zu übersetzen01.07.2015 rh Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
„Für die Waldenser ist es ein historischer und auch bewegender Moment, dass die katholische Kirche das unermessliches Leid vergangener Jahrhunderte anerkennt, das den Mitgliedern dieser religiösen Minderheit widerfahren ist“, erklärt Friedhelm Pieper, Europa-Referent aus dem Zentrum Ökumene der EKHN und EKKW. Dabei bemerkt er, dass der Papst konsequent von einer Kirche gesprochen habe. Piper betont: „Das ist ein wichtiges Signal. Denn offiziell erkennt die katholische Kirche protestantische Kirchen nicht an, sie werden als `kirchliche Gemeinschaften´ bezeichnet.“ Europa-Referent Piper und Pfarrer Detlev Knoche, der Leiter des Zentrums Ökumene, sind anlässlich der Internationalen Konferenz der Christen und Juden gegenwärtig in Italien. Dort begegneten sie dem waldensischen Theologie-Professor Prof. Daniele Garone. Seine Reaktion auf das Entgegenkommen des Papstes: „Das ist im Namen Jesu Christi die Bitte um Vergebung und damit die verantwortliche Anerkennung der Grausamkeiten in der Vergangenheit. Zugleich ist ein Wille zu erkennen, neue Wege auch gemeinsam zu gehen."
Mauer von Beschuldigungen niedergerissen - Glaube, Verantwortung und Zusammenhalt als Kraftquellen
Auch der leitende Geistliche der Waldenser, Moderator Pastor Eugenio Bernardini, zeigte sich bewegt von der Bitte um Vergebung des Papstes und entgegnete ihm: „Indem Sie in diesen Tempel eingetreten sind, haben Sie eine historische Schwelle überschritten. Eine Mauer, die vor 800 Jahren errichtet wurde, als unsere Bewegung der Häresie beschuldigt und von der römischen Kirche exkommuniziert wurde." Gegenüber Pfarrer Detlev Knoche, dem Ökumene-Referenten der EKHN, erklärte einige Tage später der waldensische Theologie Professor Garone, was seinen Glaubensbrüdern und -schwestern die Kraft gab, die harten Jahrhunderte zu überstehen: „Es war die Überzeugung, dass der Glaube in reformatorischer Verantwortung zur Freiheit führt und der enge Zusammenhalt in den Waldenserdörfern."
Wer sind die Waldenser?
Die Waldenser sind eine der ältesten evangelischen Gemeinschaften, ihre Wurzeln gehen bis ins 12. Jahrhundert auf den Kaufmann und Wanderprediger Petrus Valdes aus Lyon zurück. Die Anhänger lebten ohne größere persönliche Besitztümer, ließen sich die Bibel in ihre Sprache übersetzten und verkündigten öffentlich das Evangelium, wofür sie bald Predigtverbot erhielten. Bereits nach ihrer Gründung Südfrankreich wurden sie jahrhundertelang durch weltliche und kirchliche Obrigkeiten verfolgt. Wenige Anhänger hatten sich in einige Täler der Westalpen zurückgezogen. Erst im 19. Jahrhundert konnten sie in Italien ihre Religion frei ausüben. In Italien leben heute noch 47.500 Waldenser, die mit den Methodisten eine gemeinsame Kirche bilden. Heute sind die Gemeinden sind sehr stabil; durch die niedrige Geburtenrate in Italien und die Säkularisierung gehen die Gemeindegliederzahlen geringfügig zurück. Die Mitgliedschaft in der Waldenserkirche ist in der Regel auch mit einer aktiven Teilnahme am Gemeindeleben verbunden. Es gibt einige Übertritte aus dem Katholizismus auf Grund der theologischen Ausrichtung der Waldenser und ihres sozialpolitischen Engagements.
Partnerschaft der EKHN mit den Waldensern
Die Waldenser sind auf dem Gebiet der EKHN seit über 300 Jahren in Waldensersiedlungen in Hessen präsent präsent: in Dornholzhausen, Walldorf, Rohrbach-Wembach-Hahn und anderen Orten. Zwischen der EKHN und der Waldenserkirche in Italien bestehen seit den 1960ziger Jahren enge partnerschaftliche Beziehungen. Über viele Jahre waren es vor allem diakonische Projekte in der Waldenserkirche wie La Noce in Palermo oder der Einsatz von Freiwilligen, welche die beiden Kirchen verbunden haben. Heute fördern die EKHN und die Waldenser gemeinsam Projekte in Indien über die Evangelische Mission in Solidarität (ems), zudem nehmen die beiden Kirchen gemeinsam an theologischen Debatten über die Verantwortung der Kirche in der Welt teil. Weiterhin beraten sie sich wechselseitig, wie sie ihre Beziehungen zu Migrantengemeinden neu gestalten können. So gibt es beispielsweise in der Waldenserkirche neue Modelle, gemeinsam mit Migranten und Flüchtlingen aus Afrika Gemeinde zu werden. Zudem erinnert die Waldenserkirche daran, dass die Reformation europäisch und älter als die von Luther geprägte Reformation in Deutschland ist.