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    Film-Tipp: Master of the Universe

    Einblick in das Leben und Leiden eines Investmentbankers

    bauderfilmNahportrait vor SkylineDer ehemalige Investmentbanker Rainer Voss fesselt in dem Film "Master of the Universe"

    Ganz großes Kino: Da steht ein Mann in einem verlassenen Bankgebäude und erzählt 90 Minuten etwas über sich und die Finanzwirtschaft. Ein Film ohne Happy End, aber von großer Bedeutung.

    bauderfilmRainer Voss auf dem Dach eines Frankfurter HochhausesDer ehemalige Investmentbanker Rainer Voss fesselt in dem Film „Master of the Universe“ die Zuschauer mit seiner Geschichte, die eine ist, die man so noch nicht gehört hat.

    Ein Mann mittleren Alters spricht – ruhig, eloquent, druckreif. Er sitzt oder steht in einem verlassenen Bankgebäude, manchmal fährt er mit einem schicken weißen Auto in die Tiefgarage oder aus der Tiefgarage heraus. Das macht er 90 Minuten lang. Und keine einzige Minute davon ist langweilig. Das Gegenteil ist der Fall: Der ehemalige Investmentbanker Rainer Voss fesselt in dem Film „Master of the Universe“ die Zuschauer mit seiner Geschichte, die eine ist, die man so noch nicht gehört hat.

    Großes Kino über ein sperriges Thema

    Er war dabei, als die Spekulationsgeschäfte losgingen, als die Exzesse der Großbanken immer größer und unkontrollierbarer wurden und alles auf die riesige Katastrophe zusteuerte, die die Finanzwelt 2008 erlebte. Die Aufnahmen der Frankfurter Skyline mit imponierenden Bankentürmen, verglasten Aufzügen, glitzernden Fassaden in der kleinsten Metropole der Welt – atemberaubend. Die Musik, von Bernhard Fleischmann für den Film komponiert, transportiert stimmig die Gefühle. Ganz großes Kino über ein sperriges Thema, um die Kritik mal vorwegzunehmen.

    Der Film ist spontan entstanden. Voss kannte das Thema nicht, nicht eine einzige Frage, auch nicht die Dramaturgie. Gedreht worden ist fünfmal eine ganze Woche lang am Stück zwischen Februar 2012 und April 2013. An jedem dieser Tage stellt Regisseur Marc Bauder fünf, sechs Stunden Fragen, der ehemalige Investmentbanker antwortet. Es ist kalt in diesem verlassenen Bankgebäude, der Protagonist trägt stets einen Schal.

    Ein System, in dem man sich immer weiter von der Wirklichkeit entfernt

    Rainer Voss hat das Bankgeschäft von der Pike auf gelernt. Angefangen hat er in den 1980er Jahren. Sein Talent war schnell erkannt, er ist zügig befördert worden, hat immer mehr Geld verdient. Er hat das große Rad gedreht als Investmentbanker. Einen Experten wie ihn mit diesem Fachwissen gab es vielleicht 30-mal in Europa. „Du hast mit nichts mehr was zu tun, für dich wird gesorgt. Du fährst direkt von der Straße unten in die Tiefgarage, ein paar Treppen nach oben, dann bist du an deinem Arbeitsplatz und du musst dich eigentlich um die Außenwelt nicht so richtig kümmern. Die Kinder der Banker gehen in denselben Kindergarten, man macht denselben Urlaub an denselben Orten, zum Skilaufen nach Gstaad oder auf die Seychellen oder Mauritius, und dann wird daraus ein geschlossenes System, in dem man sich immer weiter von der Wirklichkeit entfernt“, schildert Voss das Leben in der Finanzwelt.

    In der Steuerzentrale im Raumschiff Enterprise

    „Es war wie in einer Steuerzentrale auf dem Raumschiff Enterprise, da kann man sich wie ein Master of the Universe fühlen“, erklärt Voss. Der Job sei nicht für jeden geeignet, „aber ich fand das ziemlich faszinierend“. Den Computer anzuschalten und sich dann auf Augenhöhe zu befinden mit einer sich sehr schnell bewegenden Welt – er habe sich zum Informations-Junkie entwickelt. „Man sieht, wie der Aktienmarkt reagiert, wenn Obama nur einen Satz sagt, da bekommt man ein Gefühl von der Weltenmechanik“, erklärt Voss. Welche Auswirkungen das unter Umständen hat, ließe sich 90 Sekunden später am Aktienmarkt beobachten.

    Bedingungslose Loyalität

    Der Anfang sei ähnlich gelagert wie bei Bill Gates und seiner Garage. „Wir waren zufällig da, als die Computer kamen, haben uns für englische Bücher mit Finanzstrategien interessiert.“ Sie hätten mit viel Lust an Neuem Finanzprodukte entwickelt. Er hatte Erfolg, war Teil des Systems. Der Preis war hoch. Als One-Nighter oder noch besser Two-Nighter – so lange, wie man eben durcharbeiten kann ohne Schlaf – hätte man sich Schulterklappen erarbeitet. Dazu gehörte auch, auf gar keinen Fall Kritik zu üben, keine politischen Äußerungen zu tätigen und bedingungslose Loyalität zu üben. „Es ist letzten Endes wie bei der Armee. Dein Leben kannst du vergessen.“

    Die Welt der Finanzwirtschaft sei ein geschlossenes System. Keiner blicke mehr so richtig durch, Entscheidungen, sagt Voss, fielen in Unsicherheit. „Es gibt niemanden, der die Rechnungslegung der Deutschen Bank versteht.“

    Das gelte auch für die anderen Banken. Da seien riesige Geldsummen unterwegs, mit denen man inzwischen auch Länder angreifen könne. Die Wirtschaft dieser Länder werde geschwächt, die Zinsen dermaßen in die Höhe getrieben, dass den heimischen Unternehmen die Luft wegbliebe. „Man fängt mit dem kleinsten Land an, Griechenland. Dann Spanien, Italien … immer das nächst größere Land. (…) Als nächstes Frankreich. Es gibt ja Leute, die ein Interesse daran haben, dass der Euro zerbricht. Da steckt ja ein gewaltiges Gewinnpotenzial drin.“

    Der Markt ist kein Gott

    Aber der Markt, das sei ja keine göttliche Kraft, sondern es seien Menschen, die entscheiden. Und wenn jetzt der Chef einer großen Investmentbank eine E-Mail rausschicken würde, dass jeder Händler, der gegen Spanien oder Portugal spekuliert, rausfliege, sei sofort Schluss damit. „Aber damit das passiert, braucht es einen Bruch – einen externen Schock, also einen politischen Eingriff oder eine Krise oder einen Radikalinski, der beweist: Es funktioniert.“ Voss glaubt, dass uns das - irgendwann um die Ohren fliegt – „entweder finanztechnisch oder gesellschaftspolitisch“. „Dass das ein gutes Ende kriegt, glaube ich keine Sekunde“, sagt er.

    Menschen ohne ethische Normen

    Warum er den Film gemacht hat? „Ich schlage damit ein Buch in meinem Leben zu“, benennt Rainer Voss ein Motiv. „Dann aus Wut, weil mir mein Beruf, der mir sehr wichtig war, kaputt gemacht worden ist.“ Zwischen 1998 und 2002 habe sich die Arbeitswelt verändert. Eine neue Garde sei angetreten, Leute ohne ethische Normen. Es habe auch in den 1980er Jahren krumme Geschäfte gegeben. Das Geschäftsmodell aber verschiebe sich immer weiter Richtung Illegalität. Sein Fazit: „Früher haben wir von der Großmutter gelernt, was gut und richtig ist. Heute ist alles auf den Kopf gestellt, es geht um Excel-Tabellen und darum, recht zu haben, statt recht zu tun. Wir haben verlernt, mit ethischen Fragestellungen umzugehen.“

    Ihm bleibe der Zweck des Handelns heute zweifelhaft. Rainer Voss nennt ein Beispiel: Die Haltedauer einer Aktie habe früher vier Jahre betragen, heute seien es 22 Sekunden. Wenn man davon ausgehe, dass eine Aktie die Beteiligung an einem Unternehmen sei: „Wo liegt da der Sinn?“

    Der Film „Master of the Universe“ ist eine Produktion von Bauderfilm in Koproduktion mit NFG Geyrhalterfilm, Hessischer Rundfunk, Südwestrundfunk und arte. Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) in Wiesbaden hat dem Film das Prädikat »Besonders wertvoll« verliehen. Beim Filmfest in Locarno ist er mit dem Hauptpreis der Jury ausgezeichnet worden. Bundesweiter Kinostart ist am 7. November.

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