Von Worms nach Mainz
Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt… Reformationsfahrt auf dem Rhein
Heidi Sekulla26.06.2017 hss Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Heidi SekullatEs ist ein buntes Volk, das sich am Schiffsanleger auf der Wormser Rheinpromenade versammelt. Blasinstrumente, ein Klavier, Notenständer und Notenmappen- alles muss mit auf das Schiff. Der Stockstädter Kirchenchor nutzt die Wartezeit zum Einsingen. Das Kirchenlied „Geh‘ aus mein Herz und suche Freud“ weht dem anfahrenden Schiff entgegen. Der Kapitän des Schiffes hisst unter dem Applaus der Mitfahrenden die EKHN-Flagge. Los geht’s mit einer Andacht, dem Luther-Lied „Ein feste Burg“ und Luthers Morgensegen. Gemütlich fährt das Schiff den Rhein entlang gen Mainz.
„Eine kirchenhistorische Fortbildung der besonderen Art.“
Auf der Höhe von Nordheim/Biblis, Gernsheim, Erfelden, Mainz, Trebur/Oppenheim und Worms informiert der ehemalige Präses Paul Ewald die Mitfahrenden gekonnt und kurzweilig über historische Kontexte zur Reformationsgeschichte. So widmet Ewald dem 1504 in Marburg geborenen Philipp dem I., genannt der Großmütige, einige Aufmerksamkeit. Philipp war bis 1567 Landgraf der Landgrafschaft Hessen und gilt bis heute als einer der bedeutendsten Landesfürsten und Vorkämpfer der Reformation. Der Landgraf stiftete 1535 in Crumstadt ein Krankenhaus- heute Philippshospital-, das eines der ältesten psychiatrischen Krankenhäuser der Welt ist. Sein Sohn Georg gab dann den Crumstädter Kirchenbau in Auftrag, der 1593 fertig gestellt wurde und zu den ältesten evangelischen Kirchenbauten überhaupt zählt. Ewald liest aus Luther-Briefen und Schriften und lockert seine Vorträge mit Zitaten und Trinksprüchen Luthers auf. „In Oppenheim hat Luther auf dem Weg nach Worms übernachtet und soll von Bucer gewarnt worden sein, nicht nach Worms zu gehen“, so Ewald. Der Stockstädter Kirchenchor unter der Leitung von Dagmar Staudt und der Evangelische Posaunenchor Hofheim unter der Leitung von Simon Kräuter umrahmen die Vorträge.
„An Kirche weiterarbeiten- sich stetig weiter entwickeln!“
Auf und unter Deck kommen zwischenzeitlich die Mitfahrenden untereinander über das Reformationsjubiläum ins Gespräch. „Ich finde gut, dass wir ein Reformationsjubiläum und kein Lutherjubiläum feiern“, so Elke Boss, die seit acht Jahren im Vorstand der Gernsheimer Kirchengemeinde mitarbeitet und der die Ökumene am Herzen liegt: „Ich freue mich darüber, dass das Reformationsjubiläum ein ökumenisches Fest ist- an der Ökumene sollten wir weiterarbeiten.“ Die 50-Jährige fühlt sich wohl und wertgeschätzt in ihrem Ehrenamt und lobt das „supergute Miteinander“ in ihrem Vorstand.
Die Jugenddelegierte Luisa Held aus der Kirchengemeinde in Bürstadt wünscht sich für die kommenden Jahre: „Wir brauchen noch viel mehr Jugend und Angebote, die junge Leute ziehen.“ Die 22-Jährige studiert evangelisches Lehramt und organisiert mit einem harten Kern von 11 Jugendlichen Angebote für die Junge Gemeinde. Eveline Haupt pflichtet ihr bei: „Es ist so toll, wie ihr alle mit anpackt oder einfach mal vorbei schaut. Ein schöne Miteinander von jung und alt.“ Haupt ist seit vielen Jahren im Frauen- und Seniorenkreis in Bürstadt aktiv.
Bärbel Felsmann aus Gernsheim wünscht sich eine Kirche mit schwungvollen Liedern und Gottesdiensten, die Familien und Kirchenferne zur Gemeinschaft und zum Feiern einladen: „Das EG-Plus ist da vielleicht wieder eine Chance- da sind eben auch mal nicht so staubige Kirchenlieder drin“, zwinkert sie den anderen zu.
In Mainz dreht das Schiff. Die Fahrt geht nun gegen die Strömung mit Blick auf die andere Rheinseite zurück nach Worms. Die Chöre haben sich warmgesungen und warmgespielt. Kirchenlieder, Gospels und Spirituals werden mal mehr und weniger laut mitgesungen und beklatscht. Am Ende der Fahrt steht eine Andacht und ein großes Dankeschön von Dekan Karl Hans Geil an alle, die den Tag mitgestaltet haben. Mit dem Abendsegen wird diese gelungene Reformationsfeier beendet. „Ich habe heute gelacht, gefeiert, gesungen und gebetet- mehr geht nicht“, so eine Mitfahrerin am Schiffsausgang. Und eine ruft: „Das hätte dem Luther auch gefallen.“ Bestimmt.