Armut
Diakonie: Steigende Kinderarmut ist alarmierend
Imgorthand/istockphoto.com„Der starke und weitgehend kontinuierliche Anstieg der Kinderarmut in Hessen kann nicht gleichgültig zur Kenntnis genommen werden“, sagt Wolfgang Gern.14.01.2016 epd/red Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Diakonie HessenVorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen Wolfgang GernIn Rheinland-Pfalz ist Kinderarmut ein zunehmendes Problem. Wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (WSI) mitteilte, lebt jedes fünfte rheinland-pfälzische Kind (19,9 Prozent) in einem einkommensarmen Haushalt. Damit schneidet das Land schlechter ab als der Bundesdurchschnitt (19 Prozent). In Hessen leben schätzungsweise 168.000 Kinder und Jugendliche in armen Familien.
„Jedes Kind, das von Armut betroffen ist, ist eines zu viel.“
Landesweit wuchs in Hessen jedes sechste Kind (16,8 Prozent) in einem einkommensarmen Haushalt auf. Dies entspricht einer Zunahme um 15.000 Kinder. „Der starke und weitgehend kontinuierliche Anstieg der Kinderarmut in Hessen kann nicht gleichgültig zur Kenntnis genommen werden“, so Wolfgang Gern, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen zu den aktuellen Zahlen des WSI. „168.000 Kinder in Hessen, die von Armut betroffen sind, sind genau 168.000 zu viel“, sagte er.
Damit liegt das Land über dem Bundesdurchschnitt (19 Prozent). Besonders verbreitet ist Kinderarmut in den ostdeutschen Ländern - allerdings ist dort die Quote gesunken, während sie in Hessen zuletzt leicht anstieg. Alleinerziehende und ihre Kinder sind der Stiftung zufolge besonders häufig von Armut betroffen.
Kinder armer Eltern sollen keine arme Eltern werden
Die Diakonie Hessen schätzt die Analyse als „besorgniserregend“ ein. „Die starke Einwanderung in unser Land macht die Frage, wie Armut und Kinderarmut wirksam verhindert werden kann, noch dringlicher. Wir treten jeder Form von sozialer Ausgrenzung entschieden entgegen“, so Dr. Wolfgang Gern. „Vor allem dann, wenn sie – wie bei Kindern – früh erfolgt und lange Wirkungen hat. Denn wir wollen, dass aus Kindern armer Eltern, nicht wieder arme Eltern werden.“
Die von den Verfassern der Studie vorgeschlagenen Ansätze zur Verminderung der Kinderarmut werden auch von der Diakonie Hessen gestützt. Gern sagt: „Ein entscheidender Faktor ist die Einbindung armutsgefährdeter Familien in den Arbeitsmarkt. Dafür brauchen wir ein existenzsicherndes Einkommen sowie eine passende und bezahlbare Kinderbetreuung.“
Diakonie fordert höheren Grundsicherungssatz
Über diese Lösungsansätze hinaus fordert die Diakonie Hessen eine Erhöhung des Grundsicherungssatzes. Dieser liegt, auch nach der unlängst erfolgten Erhöhung um vier Euro, noch immer rund 70 Euro unter dem Satz, der zur Sicherung eines soziokulturellen Existenzminimums benötigt wird. „Gerade für Kinder ist eine Grundsicherung nötig, die oberhalb der Armutsgrenze liegt“, fordert Gern. „Es kann nicht sein, dass immer mehr Kinder hungrig in die Schule gehen, von Tafeln mit Essen versorgt werden oder im Winter frieren müssen.“
Flüchtlingskinder besonders von Armut gefärdet
Prekär sei auch die Situation von Flüchtlingskindern. Sie sind stark von Armut gefährdet und würden regelmäßig vergessen, wenn es um Kinderrechte und das Kindeswohl in Deutschland gehe. Gern: „Flüchtlingskinder leben auf engem Raum mit wenig Privatsphäre und sind oft sozial isoliert. Sie brauchen von Anfang an den Zugang zur Schule und die gleichen Sozialleistungen sowie gesundheitliche Versorgung wie alle Kinder in Hessen.“
Auch die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket müssten ausreichen, um den regelmäßig aufkommenden Bedarf an Schulmaterial zu decken. Noch immer sei die Förderung von Bildung und Teilhabe zu kompliziert ausgestaltet und erreiche Kinder und Jugendliche nur unzureichend. Der hessische Diakonie-Chef Wolfgang Gern weiter: „In Hessen und Rheinland-Pfalz müssen die öffentliche Infrastruktur ausgebaut und Sozialräume gestaltet werden. Ein Kita-Platz sichert soziale Teilhabe und kann damit als wirksame Armutsprävention betrachtet werden.“
Für den bundesweiten Vergleich hatten Forscher aktuelle Daten des Mikrozensus 2014 ausgewertet. Mit einer Quote von 25,1 Prozent hatte der Regierungsbezirk Düsseldorf im Jahr 2014 nach Bremen (33,1 Prozent) den höchsten Anteil an armen Kindern in Westdeutschland.
Als armutsgefährdet gelten Menschen, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen müssen. Für Einpersonenhaushalte waren das 2014 weniger als 917 Euro pro Monat. Bei einer Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren lag die Armutsgrenze bei 1.926 Euro.
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