Der Christbaum und die Reformation
Der Christbaum und die Reformation
16.12.2015 aef_g006 Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Der Paradiesbaum
Das Bild von Lukas Cranach d. J. greift damit das damals geläufige Motiv des Paradiesbaumes auf. Denn seit alters feiert die Kirche am ersten Weihnachtstag nicht nur den Geburtstag des Christuskindes, sondern auch den Adam und Evas. Der Baum des Lebens in der Mitte des Paradieses, an dem sich das erste Menschenpaar vergriffen hat, ist somit der Horizont, vor dem das Weihnachtsgeschehen begriffen werden muss. Die Weihnachtsgeschichte wäre demnach eine Paradiesgeschichte.
Der Apfel als Weihnachtsbaumschmuck
So wurden die Christbäume mit Äpfeln oder Kugeln geschmückt. 1870 gelingt es Justus von Liebig, der in Darmstadt geboren wurde, Glaskugeln von innen zu versilbern. Manche wurden sogar mit einer Kehlung, also "angebissen", gefertigt. Alle Weihnachtskugeln im Advent - ob auf dem Weihnachtsmarkt oder in zahllosen Wohnungen - erinnern daher indirekt an den Begründer der Organischen Chemie, Liebig. In der Folge stellten sich große Exporterfolge der edlen Glaskugeln, vor allem in die USA, ein. Um das Jahr 1880 importierte der US-Amerikaner Frank Winfield Woolworth die ersten Christbaumkugeln in die USA. Dadurch wurde die Produktion stark ausgeweitet.
Bevor die Christbaumkugeln die Welt eroberten, schmückte man den Weihnachtsbaum mit Zuckerornamenten, Früchten und Nüssen. Die Früchte jedoch, vor allem Apfelobst, waren früher Mangelware und daher in den Wintermonaten vor allem der wohlhabenderen Bevölkerung zugänglich, die diese später zuerst vergoldeten und dann später durch prunkvolle, versilberte Glaskugeln ersetzte. Christbaumkugeln aus Glas, Metall und Kunststoff dienten als Ersatz für die verlorenen Paradiesäpfel.
Die Form der Weihnachtskugel greift also die Form des Apfels auf und erinnert symbolisch an die Schuld der Menschen (Adam und Eva) und zugleich an die Überwindung der Schuld durch die Geburt Christi. Noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten Adam und Eva sowie eine Schlange zum traditionellen Christbaumschmuck in Norddeutschland.
Der erste öffentlich aufgestellte Weihnachtsbaum mit leuchtend roten Äpfeln, Zischgold und Oblaten wird 1605 in Straßburg beurkundet, und die Erfindung des Lamettas um 1610 in Deutschland ebnete den Weg zum Weihnachtsbaum-Design der Neuzeit.
Martin Luther und der Weihnachtsbaum
Noch im Mittelalter beging man das Weihnachtsfest ohne Tannenbaum. Die Legende vom Weihnachtsbaum der Luthers – es wird sogar behauptet, Martin Luther habe den Weihnachtsbaum erfunden – konnte sich deshalb erfolgreich entwickeln, weil man in Luthers Texten vielfache Bezüge zum Weihnachtsfest findet und weil das Familienleben der Luthers zum Ideal der protestantischen Familie geworden war. Tatsächlich aber setzte sich der Weihnachtsbaum erst am Ende des 18. Jahrhunderts durch. Luther dürfte den Weihnachtsbaum-Brauch selbst noch gar nicht gekannt haben.
Während in vorreformatorischer Zeit eher die Heiligentage im Advent festlich begangen wurden - so war der Nikolaustag ein weihnachtliches Hauptfest mit der eigentlichen Bescherung der Kinder -, betonte Luther die Bedeutung des Weihnachts- oder Christfestes. In der Geburt Christi wurde für ihn das Geschenk von Gottes Gnade besonders deutlich.
Allgemein gebräuchlich wurde der Weihnachtsbaum in der deutschen Bürgerfamilie im 19. Jahrhundert, dann auch in benachbarten europäischen Ländern. Die Auswanderer des 18. Jahrhunderts nahmen den Brauch mit nach Amerika, wo seit 1891 ein "öffentlicher" Christbaum in Washington (D.C.) vor dem Weißen Haus aufgestellt wird. Diesen "Weihnachtsbaum für alle" kennt man in Deutschland erst seit etwa 1919.