Glocken
Nachts schweigen die Kirchenglocken
Hakelbudel / PixabayDie Glocken der Kirchen rufen zum Gebet01.08.2016 hag Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Zu der Änderung ist es gekommen, nachdem der Kirchenvorstand sich mit den Glocken und dem unterschiedlichen Läuten beschäftigt hat, um die Gemeinde zu informieren. Denn viele wissen nicht, warum und zu welchen Zeiten es auch an Wochentagen läutet. In dem Zusammenhang hat sich der Kirchenvorstand auch mit Klagen von Nachbarn beschäftigt, die das Schlagen der Turmuhr im Schlaf stört. „Wichtig ist uns ein gutes Zusammenleben im Viertel“, sagt Pfarrer Raimund Wirth. Auch die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau setze sich für die Nachtruhe, etwa beim Nachtflugverbot, ein. Er persönlich werde den nächtlichen Stundenschlag allerdings vermissen. Dennoch halte er die Entscheidung des Kirchenvorstands für richtig, das Ruhebedürfnis der Anwohner höher zu gewichten als den Wunsch, die Glocken auch während der Nacht zu hören.
Schon bald nach der Entscheidung gab es unterschiedliche Rückmeldungen aus der Nachbarschaft. Wie Katharina Rauh, die zweite Vorsitzende des Kirchenvorstandes berichtet, zeigten sich die einen erfreut, nun nachts bei offenem Fenster schlafen zu können. Der größere Teil jedoch beklage sich, den geliebten viertelstündlichen Zeitschlag nachts nicht mehr zu hören. Viele empfänden den Glockenschlag wie einen "Anker in der Nacht". Für beide Seiten habe sie Verständnis. Eine Umfrage auf hessenschau.de zeigt deutliche Zustimmung zum Glockengeläut.
Der Glockensachverständige informiert und berät
Den Streit um die Geräusche der Glocken kennt Thomas Wilhelm, der Glockensachverständige der EKHN, gut. „Wir bemühen uns immer um einen Kompromiss.“ Das sei aber oft gar nicht so einfach, da sich die einen von Glocken gestört fühlten und andere unter der Abwesenheit gewohnter Geräusche leiden. Man müsse auch unterscheiden zwischen dem Ruf der Glocken zum Gebet, dann würden die Glocken kräftig bewegt, und dem Anschlagen eines Klöppels von außen beim Schlagen der Zeit. Das eine sei das liturgische Läuten, das andere das Schlagen der Zeit. Manchmal ist Wilhelm mit seinen Messgeräten unterwegs, um die Geräusche genau bewerten zu können. „Die Umstände des Einzelfalls ... müssen gegeneinander abgewogen werden,“ heißt es in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) von 1998. Dort sind die genauen Messverfahren festgelegt.
Paulusgemeinde informiert über ihre neue Läuteordnung
In der Paulusgemeinde gilt: Wenn die Glocken läuten, dann rufen sie zum Gebet, nicht nur zum sonntäglichen Gottesdienst, sondern auch bei Taufen oder Beerdigungen. Beim liturgischen Läuten wird das Kirchenjahr jetzt deutlicher akzentuiert. So läuten die Glocken samstags um 18 Uhr mit derselben Glockenzahl, mit der am Sonntag um 10 Uhr zum Gottesdienst gerufen wird. Bei Festtagen sind es vier Glocken, an normalen Sonntagen drei und zu den Sonntagen in den Bußzeiten, wie im Advent und der Passionszeit, läuten nur zwei Glocken. Und zum sogenannten Vorläuten sonntags um 9 Uhr läutet jeweils eine Glocke weniger.
Bewegte Geschichte des Glockenläutens
Bereits im antiken Alexandrien wurde die Zeit ausgerufen. Das Ausrufen der Zeit ist eingegangen in den Rhythmus des Tageszeitenläutens. Im Mittelalter läuteten die Klöster zu ihren Gebetszeiten morgens, mittags und abends, um alle daran zu erinnern, dass hier jetzt gebetet wird, aber auch um Menschen zum Mitbeten einzuladen. Schon vor der Reformationszeit gab es das Läuten für den Frieden. Bis zur Einführung von Sirenen läuteten die Glocken bei Feuer und Krieg. Heute wird der Gebrauch der Glocken durch Läuteordnungen begrenzt, denn die Glocken sollen nicht ungebührlich gebraucht werden. Viele Kirchen feierten Hitlers Siege mit dem Läuten der Glocken. Die Nazis selbst wollten den Kirchen die Glocken nehmen und haben sie im Krieg eingezogen unter dem Vorwand, Bronze sei ein kriegswichtiger Rohstoff. Tatsächlich waren aber die Kanonen längst aus Stahl, und so kamen die meisten Glocken wieder zurück.