Glaube zum Sehen
Bibel in 3333 Bildern
Bild: Wiedmann MediaAdam und Eva in der Wiedmann-Bibel11.04.2019 red Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
„Er ist mit ziemlicher Sicherheit – und das kann ich so sagen – der einzige Mensch, der die komplette Bibel gemalt hat“, sagt Martin Wiedmann über seinen Vater Willy. Eigentlich heißt er Wilhelm Richard Heinrich Wiedmann. Gelebt hat er in Stuttgart, war Künstler und Musiker, aber auch Autor, Wandmaler, Kurator. Er hat Gedichte geschrieben und Musikstücke komponiert – und auch gemalt. Ein ganz besonderes Projekt: Willy Wiedmann hat die Bibel in 3333 Zeichnungen erzählt und ist damit im Guinness-Buch der Rekorde aufgeführt. Denn er ist der Einzige, der die ganze Bibel in Bildern wiedergegeben hat. Der Weg dorthin war allerdings ein sehr langer, aber niemand aus der Familie wusste von diesem Mammutprojekt. Erst nach Willy Wiedmanns Tod 2016 hat sein Sohn Martin das Leporello der Bibel zufällig in seinem Haus gefunden. Wenn die Original-Bibel aufgefaltet ist, misst sie fast 1,5 Kilometer. Sein Werk hat der Künstler Willy Wiedmann im Stil der Polykonmalerei gestaltet, die er nach seinem Studium an der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart entwickelt hat. Dabei setzen sich die Motive aus geometrischen Formen wie Rechtecken oder Dreiecken zusammen. Sie ergänzen und überlagern sich oder sind miteinander verflochten. Dabei entwickeln sich die Formen zu Bildern, die wieder in andere Bilder übergehen – das System könnte unendlich fortgeführt werden.
Bibel zufällig auf dem Dachboden entdeckt
Martin Wiedmann hat nichts geahnt, als er die Galerie seines Vaters entrümpelt, aufgeräumt und gesichtet hat. Auch der Dachboden war Teil der großen Aufräumaktion. Wiedmann erinnert sich zurück: „Ich habe dann im Dachboden – ganz verstaubt in vier großen Blechkisten diese Leporellos gefunden. Eigentlich wusste ich erst einmal gar nicht so richtig, was das ist. Aber er war schlau genug und hat auch die Auflösung in einer dieser Kisten reingelegt“. Willy Wiedmann hat nämlich auch all seine Gedanken und Ideen zur Bibelarbeit aufgeschrieben und mit in den Kisten archiviert. „Auch was er gefühlt hat, was er gedacht hat, seine Höhen und Tiefen, was die Bibel in ihm ausgelöst hat, hat er aufgeschrieben“, erzählt sein Sohn Martin. Ganz wichtig war auch seine Mission: Er wollte die Bibel mit anderen Christen teilen. Dabei hatte er auch an die Analphabeten gedacht, dies es immer noch in einigen Teilen der Welt gibt. Mit den Illustrationen wollte er ihnen ermöglichen, die Bibel zu erleben.
Probleme bei der Veröffentlichung der Wiedmann-Bibel
Eigentlich wollte Willy Wiedmann seine Bibel selbst veröffentlichen – das weiß sein Sohn Martin, da auch der komplette Briefwechsel des Künstlers in den Dachbodenkisten archiviert war. „Die Verlage haben ihm zwar gratuliert zu diesem unglaublichen, einmaligen Werk, aber trotzdem alle abgesagt“, fasst Martin Wiedmann zusammen: „Das war damals schlicht nicht möglich, so eine große Anzahl an Bildern in ein kleines, bezahlbares Buch zu packen.“ Willy Wiedmann hoffte dann, jemand würde sein Werk finden und die Mission beenden. „Dieser jemand war dann sein Sohn“, erzählt Martin Wiedmann. „Natürlich werde ich dann oft gefragt, ob ich das nicht wusste. Aber die Antwort ist einfach: Mein Vater lebte weit weg von der Familie und war durch und durch Künstler. Er lebte für sich. Und er hatte ja so viele Sachen gemacht, dem konnte ich nicht mehr folgen.“
Die Digitalisierung der Wiedmann-Bibel
Jetzt hat Martin Wiedmann die Mission seines Vaters zu seiner eigenen gemacht. „Der erste und wichtigste Schritt war die Digitalisierung aller Bilder“, erinnert sich Wiedmann zurück, denn: Wenn man wirklich alle Bilder aus dem Leporello aufeinanderstapeln würde, wäre der Stapel über zwei Meter groß – und das wäre nicht zu benutzen. Das Ergebnis dieser Aktion ist eine moderne Bibel, wie Martin Wiedmann erzählt: „Wir haben dann daraus erst eine DVD gemacht, dann eine App und letztendlich ein Virtual Reality-Projekt. Das konnte mein Vater natürlich nicht machen. Zuerst mal gab es damals so etwas noch nicht und er hatte ja auch kein Geld.“ Willy Wiedmann hat neben den Zeichnungen auch noch einen großen Rechercheaufwand betrieben, um sich sicher zu sein, dass er die Bibelerzählungen auch richtig interpretiert. Somit sind zu jeder Zeichnung auch Erklärungstexte dabei, die durch die Wiedmann-Bibel-App gelesen werden können. „Das war wirklich alles ein Haufen Arbeit“, erinnert sich Martin Wiedmann an die Digitalisierungsphase zurück.
Präsentation auf dem Kirchentag in Stuttgart
Seitdem ist Martin Wiedmann mit seiner Wiedmann-Bibel unterwegs – auf Messen, auf Kirchentagen, bei Aktionen und in Museen. Damit ist er sehr erfolgreich, denn das Interesse an diesem mittlerweile sehr modernen, durch und durch digitalisierten Bibelmedium ist groß. So war es auch auf dem evangelischen Kirchentag in Stuttgart, wo die Wiedmann-Bibel zum allerersten Mal vorgestellt wurde. Martin Wiedmann entsinnt sich zurück: „Das war natürlich sowas wie ein Testlauf, um zu sehen, wie die Leute reagieren und ob es ankommt. Unser Stand war eigentlich immer voll und letztendlich kam es sogar zu einer Spontanlesung. Ein Vikar fing dann an, die Bilder zu interpretieren. Das hat die Leute sehr begeistert.“ Seitdem ist die Wiedmann-Bibel durch ganz Deutschland gereist und sogar noch weiter. Denn für Martin Wiedmann ist diese Form der Bibel ein ganz neuer, eigener Zugang: „Man sieht das ja auch im Netz bei Facebook und Instagram, da leben die Leute ja auch in Bildern“, meint Martin Wiedmann. Damit passt die anschauliche und farbenfrohe Wiedmann-Bibel gut zu den gegenwärtigen Bedürfnissen der Menschen.
Menschenkette mit Wiedmann-Bibel im Reformationsjahr
Die Wiedmann-Bibel wurde bei mehreren Anlässen präsentiert, so zum Beispiel beim Reformationsjahr in Wittenberg. Da wurde die Wiese beim Abschlussgottesdienst mit riesigen Bildern der Wiedmann-Bibel geschmückt. In Magdeburg wurde im Rahmen der Reformation mit 500 Freiwilligen, die 500 Jahre Reformation symbolisierten, eine Menschenkette entlang der Elbe gebildet. „Wir haben dann dort im Dom nach dem Gottesdienst zum ersten Mal einen Nachdruck der Wiedmann-Bibel entfaltet. Die war passenderweise zum Reformationsjahr 1517 Meter lang“, erzählt Martin Wiedmann. Danach wurde die Wiedmann-Bibel entlang der Elbe durch die Menschenkette ausgebreitet. „Danach kamen dann ganz viele Besucher, die den Weg auf und ab gelaufen sind. Wie an einem Pilgerweg konnte man dann da die Bibelbilder meines Vaters betrachten. Das war wirklich ein ganz tolles Event mit vielen schönen Bildern und Motiven und glücklichen Leuten.“ Für Wiedmann ist klar: „Das ist wirklich ein Schatz, den ich da gefunden habe und jetzt bekannt mache.“
Bilder-Bibel auch im EKHN-Gebiet zu sehen
Aber auch über deutsche Landesgrenzen hinaus war Martin Wiedmann bereits mit der Bibel seines Vaters unterwegs. So hat er sogar Papst Franziskus im Vatikan die Bibel überreichen und erklären dürfen. Auch läuft aktuell in Washington im größten Bibelmuseum der Welt – Museum Of The Bible - eine Ausstellung zur Wiedmann-Bibel und dessen Entstehung. In dieser Ausstellung geht es aber auch um das Leben Willy Wiedmanns, wie sein Sohn erzählt: „Die Ausstellung kommt sehr gut an und wurde jetzt auch um weitere fünf Monate verlängert. Vor allem, dass dort auch mein Vater gezeigt wird und nicht nur seine Bibel, ist toll.“ Aber auch im Kirchengebiet der EKHN tut sich was: Im Gutenberg-Museum in Mainz wird die ART-Edition der Wiedmann Bibel bis zum 29. Dezember 2019 präsentiert. „Das ist natürlich schon auch eine ganz besondere Ehre für meinen Vater, im Gutenbergmuseum ausgestellt zu sein. Dass er in diesem weltberühmten Haus mit seiner Bibel eine Bleibe gefunden hat, was Schöneres kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen“, resümiert Martin Wiedmann.
[Steffen Edlinger]