Spitzentreffen mit Jüdischen Gemeinden
Antisemitismus: Distanzierung weiter dringend gefragt
EKHN/RahnWichtiger Austausch mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde in Hessen (v.l.) Detlev Knoche, Ulrike Scherf, Friedhelm Pieper, Jacob Gutmark, Daniel Neumann, Volker Jung13.07.2021 vr Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Auf die anhaltend wichtige Rolle von klaren Distanzierungen bei antisemitischen Übergriffen haben Vertreter des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen hingewiesen. Nach einem Spitzentreffen mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sagte der Direktor des Jüdischen Landesverbandes in Hessen, Daniel Neumann, am Dienstag (13. Juli), wie wichtig Solidarität für die jüdischen Gemeinden in Deutschland sei.
Eskalation von Gewalt
Neumann zeigte sich beunruhigt über jüngste Eskalationen etwa bei Demonstrationen gegen Israel. Sie hätten vielfach gezeigt, wie schnell sich antijüdische Kräfte in Deutschland nach wie vor Bahn brechen könnten. Neumann: „Hass ist unglaublich schnell mobilisierbar“. Als Beispiel nannte er unter anderem den Brandanschlag auf die Synagoge von Ulm Anfang Juni, „bei dem glücklicherweise größerer Schaden verhindert werden konnte“, so Neumann. Es sei auch wichtig, in öffentlichen Äußerungen allgemeine Friedensbotschaften nicht mit Appellen gegen Antisemitismus zu vermischen. Neumann: „Das Friedensschild mit Blick auf Nahost hilft beim Thema Antisemitismus hierzulande nichts.“
Anfälligkeit für Verschwörungstheorien
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung und Stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf versicherten bei dem Treffen, wie wichtig der EKHN der Kampf gegen den Antisemitismus sei. Gerade in der Corona-Zeit gebe es eine „Anfälligkeit für Verschwörungstheorien, in denen auch unsägliche Antisemitismen aktiviert“ würden. Hier sei klarer Widerspruch gefordert.
Corona beeinträchtigt religiöses Leben
Bei dem Treffen kam auch die aktuelle Situation der jüdischen und evangelischen Gemeinden in der Corona-Pandemie zu Sprache. Jacob Gutmark, Vorsitzender des Jüdischen Landesverbandes in Hessen erklärte, dass offen sei, welche Auswirkungen die Pandemie auf die Zukunft des religiösen Lebens habe. Viele jüdische Gemeinden hätten sich besonders engagiert und mit neuen Formaten - etwa Andachten per Videodienst Zoom - versucht, das religiöse Leben auch digital zu stärken. Als Herausforderung werde zudem auch in den jüdischen Gemeinden die abnehmende Bindungskraft von Religion vor allem unter Jüngeren gesehen. Dies wurde von Kirchenpräsident Jung auch für die evangelischen Gemeinden bestätigt. Die Bereitschaft, sich an Institutionen und Organisationen zu binden, gehe offenbar weiter zurück. Es sei generell schwer, diesem „Megatrend“ etwas entgegenzusetzen.
Gleichgeschlechtliche Parnerschaften bleiben Thema
Bei dem Gespräch wurden auch Fragen nach dem Umgang mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder transidenten Menschen in der jeweiligen Glaubenspraxis behandelt. Auch über das Thema sexualisierte Gewalt in der Kirche und die kritische Resonanz in der Öffentlichkeit wurde gesprochen. Sowohl jüdische als auch evangelische Repräsentierende betonten nach dem Spitzentreffen den vertrauensvollen und offenen Austausch auch bei brisanten Fragestellungen.
Hintergrund
An dem Spitzengespräch, das seit 2016 regelmäßig einmal im Jahr geführt wird, nahmen von EKHN-Seite Kirchenpräsident Volker Jung und Stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf sowie von jüdischer Seite der Vorsitzende des Hessischen Landesverbands der Jüdischen Gemeinden Jacob Gutmark und Direktor Daniel Neumann teil. An dem Gespräch waren auch der Leiter des Zentrums Oekumene der EKHN, Detlev Knoche und Friedhelm Pieper, Pfarrer für Interreligiöser Dialog, Judentum und Naher Osten sowie Volker Rahn, Pressesprecher der EKHN, beteiligt.